Baden-Württemberg

Wie wichtig ist Instagram für Politiker?

Robert Habeck oder Christian Lindner haben auf der Plattform hunderttausende Abonnenten, Europapolitiker wie Michael Bloss sehr viel weniger. Trotzdem investiert der Stuttgarter Zeit und Geld in seinen Account. Lohnt sich das? Ein Politikberater klärt auf.

  • Der  Instagram-Auftritt des Stuttgarter EU-Abgeordneten Michael Bloss (Grüne)  wirkt professionell.Foto: Screensho/Instagram/michabloss

    Der Instagram-Auftritt des Stuttgarter EU-Abgeordneten Michael Bloss (Grüne) wirkt professionell.Foto: Screensho/Instagram/michabloss

Katar, Japan oder China – ist Annalena Baerbock in ihrer Rolle als Außenministerin unterwegs, teilt sie das in der Regel auf Instagram. Ihre rund 600 000 Abonnenten wissen nicht nur, was die Grünenpolitikerin dort macht, sondern auch welche politische Haltung sie etwa in puncto Menschenrechte in Katar oder Chinas Rolle in der Klimakrise vertritt. Gefällt-mir-Angaben gibt es für die Beiträge Tausende, Kommentare viele Hunderte.

Mit solchen Zahlen kann der Stuttgarter Europaabgeordnete Michael Bloss (Bündnis 90/Die Grünen) nicht mithalten. Er hat auf seinem Instagram-Account rund 6500 Abonnenten. Spricht er dort über E-Fuel-Autos oder den Kohleausstieg, sieht meist nur ein kleiner Teil davon zu. Trotzdem investiert er viel Zeit in die Produktion von kanalgerechten Inhalten. „Instagram ist wie eine Visitenkarte. Wer präsent und ansprechbar sein will, muss dort sein“, sagt er. Stimmt das?

Die Plattform sei für Politiker wichtig, sagt der promovierte Politologe Bendix Hügelmann. Er berät Politiker, Parteien und Unternehmen unter anderem zu Fragen digitaler Kommunikation. Er meint, Instagram stehe aber für eine Form der Politikvermittlung: „Es geht weniger um die Frage, ob Instagram, Twitter oder TikTok, sondern eher darum, wie Politik und Politiker diese Form der direkten Kommunikation in eigener Sache nutzen können, um für sich zu begeistern.“ Und das bestenfalls noch so, dass sie unterhalten. Denn in den sozialen Medien sei man „knietief im Entertainment-Bereich“, sagt Hügelmann. Politische Beiträge müssen sich gegen Unterhaltungsinhalte zu Themen wie Hobbys oder Reisen durchsetzen.

Der Instagram-Kanal wirkt professionell

Michael Bloss mache seinen Instagram-Auftritt ganz gut, sagt er. Er wirke professionell. Der Grünen-Politiker lädt regelmäßig – augenscheinlich – hochwertig produzierte und visuell ansprechende Foto- und Videobeiträge sowie Stories hoch. Stories sind bildschirmfüllende Fotos und Videos, die nach 24 Stunden verschwinden.

Beispielsweise erklärt er in diesen kurz und knapp komplexe Themen wie den EU-Emissionshandel, den er mit verhandelt hat. Im Emissionshandelssystem müssen bestimmte Unternehmen Geld bezahlen, wenn sie klimaschädliche Gase wie Kohlendioxid ausstoßen. Das soll Anreize schaffen, weniger Emissionen etwa in der Produktion zu erzeugen. In seinen Reels – wie die maximal 90-sekündigen Videos auf Instagram heißen – spricht der Stuttgarter ebenfalls oft selbst in die Kamera, nutzt Untertitel und erklärt etwa, was es mit dem vom EU-Parlament beschlossenen Verbrenner-Aus auf sich hat.

Auch stellt der Europaabgeordnete Nähe zu den Nutzern her und interagiert mit ihnen. So können diese mittels passender Instagram-Funktion Fragen zu politischen Themen stellen oder dank Fotos und Videos einen Einblick in Bloss’ Arbeit im EU-Parlament in Brüssel bekommen.

Selbstvermarktung in den sozialen Medien ist wichtig

Und: Der EU-Abgeordnete weiß, was er erzählen will. Mit seinem Team plane er wöchentlich sowohl kurzfristig als auch langfristig gemeinsam die Öffentlichkeitsarbeit, sagt er. Zu der gehöre eben auch Instagram. Sein Hauptfokus: Klima-, Energie- sowie Industriepolitik. So geht es auf seinem Kanal etwa um den Atomausstieg, den europäischen Green Deal oder um erneuerbare Energien.

„Er weiß, wie er seine eigene Person im Interesse der politischen Sache, für die er steht, vermarkten kann“, bemerkt Hügelmann anerkennend. Und darum gehe es für Politiker auf Instagram.

Nicht alle Politiker bespielen ihre Instagram-Kanäle gut

Aber nutzt das Gros der Politiker dieses Instrumentarium überhaupt? Der Politikberater beobachtet die politische Instagram-Nutzung hierzulande seit sechs Jahren und sagt: „Es ist im Schnitt besser geworden, aber man hat noch Ausschläge in alle Richtungen.“ So hätten 2017 gerade mal rund die Hälfte der Abgeordneten, die nachher in den Bundestag eingezogen sind, im Wahlkampf Instagram genutzt.

2021 hat Hügelmann wieder nachgeschaut: Doch der von vielen versprochene Professionalisierungsschub war ausgeblieben. So gebe es heute diejenigen, die den Nutzwert der Plattform entdeckt und dann Zeit und Arbeit investiert haben, das konsequent zu bespielen – und diejenigen, die das halt irgendwie wieder haben sein lassen.

Professioneller Instagram-Auftritt kann sich lohnen

Dabei kann es sich für Politiker auszahlen, ihre Instagram-Kanäle konsequent zu bespielen. Einer aktuellen Umfrage des Branchenverbandes Bitkom nach sagen 43 Prozent der Befragten zwischen 16 und 29 Jahren, dass soziale Medien auch einen Einfluss auf ihre politische Meinung hätten. Von den über 30-Jährigen stimmten 20 Prozent dem zu.

Sich als Politiker dort zu inszenieren ist also wichtig. „Man bekommt etwa auf dem Instagram-Kanal einen Eindruck von der Person. Ist sie mir sympathisch oder nicht? Das kann eine der Grundvoraussetzungen für politische Unterstützung sein“, sagt der Politologe Hügelmann.

Zumal Politiker auf Social-Media-Plattformen wie Instagram, Facebook oder TikTok ihr öffentliches Bild mitgestalten und eigene Themen setzen können ohne, dass ihnen die Medien dazwischen funken. „Wenn ich auf Instagram einen gepflegt funktionierenden Kanal habe, erleichtert das auch meine restliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Der Kanal komplettiert das öffentliche Bild,“ sagt er.

Und was ist mit Risiken? Laut Hügelmann liegen die eher in der Handhabung der Plattformen. Als Beispiel nennt er die ehemalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Diese hatte auf Instagram eine Neujahrsansprache veröffentlicht, in der sie über das vergangene Jahr sowie den Ukraine-Krieg spricht – vor einer lauten Berliner Böller-Kulisse. Ein Fehltritt zu viel, Lambrecht legte ihr Amt Anfang des Jahres nieder.

Auch solle man „nichts Dummes“ sagen, so der Experte. Denn das könne gegen einen verwendet werden. In den sozialen Medien gehe das schnell, sei aber kein neues Social-Media-Phänomen, sondern ein Risiko, das der Gang in die Öffentlichkeit mit sich bringe. Mit Blick auf Instagram und soziale Medien generell glaubt er: „Man kann sich als Politiker diesen Kommunikationswegen nicht mehr verschließen, es ist Teil des Jobs.“

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