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Wie viele Millionstelsekunden dauert eine Zeitenwende?

Dass die Uhr zweimal im Jahr um eine Stunde vor- oder zurückgestellt wird, hat bis jetzt nicht zum Weltuntergang geführt. Eine Zeitumstellung von einer Sekunde scheint dagegen eine Bedrohung zu sein. Wir erklären, warum.

  • Die Erde tickt nicht ganz so genau wie diese Atomuhr, in der Cäsiumatome  schwingen.Foto: dpa/Holger Hollemann

    Die Erde tickt nicht ganz so genau wie diese Atomuhr, in der Cäsiumatome schwingen.Foto: dpa/Holger Hollemann

Viele Menschen empfinden den ständigen Wechsel zwischen Winter- und Sommerzeit als Belastung. Die Deutsche Bahn kommt dagegen ganz gut mit der Zeitumstellung zurecht. Kein Wunder – angesichts des mittlerweile erreichten Pünktlichkeitsniveaus kommt es bei ihr nicht auf eine Stunde mehr oder weniger an. Ein Zug gilt ja hierzulande noch als pünktlich, wenn er weniger als sechs Minuten Verspätung hat. In Japan führen bereits Fahrplanabweichungen von wenigen Sekunden dazu, dass sich Lokführer mit einer tiefen Verbeugung bei den Fahrgästen entschuldigen.

Eine Sekunde mag kurz erscheinen, sie kann aber über Leben und Tod entscheiden – etwa beim Überqueren einer Straße, auf der gerade ein Auto mit überhöhter Geschwindigkeit vorbeirast. Umso mehr hat uns ein Beschluss der Generalkonferenz für Metrologie überrascht. Das Gremium hat gerade verfügt, dass es spätestens ab 2035 für mindestens hundert Jahre keine Schaltsekunde mehr geben soll. Diese war 1972 eingeführt worden, um Unregelmäßigkeiten der Erdrotation auszugleichen, die sich auf die Tageslänge auswirken. Sobald die jährliche Abweichung zwischen der etwas wackligen Erdzeit und der gleichmäßiger laufenden Atomzeit mehr als 0,9 Sekunden beträgt, wird eine Schaltsekunde eingefügt. Langfristig gibt es bei der Erdrotation einen klaren Trend: Unser Planet dreht sich immer langsamer um seine Achse – und die Tage werden länger. Schuld daran ist der Mond, dessen Schwerkraft die Erde bremst.

Schon in der Urzeit fehlten Fachkräfte

Anhand der Wachstumsringe fossiler Meerestiere haben Forscher errechnet, dass ein Tag vor 400 Millionen Jahren 21,9 Stunden dauerte. Vor vier Milliarden Jahren könnten es sogar nur 14 Stunden gewesen sein. Bei einem Acht-Stunden-Arbeitstag wären seinerzeit also nur sechs Stunden unproduktive Zeit vergangen, bis die nächste Schicht beginnt – ein Traum für jeden Arbeitgeber. Dumm nur, dass bereits vor vier Milliarden Jahren ein massiver Fachkräftemangel herrschte, weil die Entwicklung des Lebens auf der Erde erst vor ungefähr 3,5 Milliarden Jahren begann.

Wer hätte damals gedacht, dass sich die ersten Biomoleküle in der Ursuppe zu einer Spezies entwickeln würden, die auf die Idee kommt, zwischen lauter Tagen mit 86 400 Sekunden ab und an einen mit 86 401 Sekunden unterzubringen. So genial einfach das Konzept der Schaltsekunde sein mag – für unsere mittels Atomuhren synchronisierte Kommunikationsinfrastruktur ist es eine Herausforderung.

Weil es für das Einfügen einer Sekunde noch keinen einheitlichen Standard gibt, kann diese Prozedur dazu führen, dass verschiedene Zeitsysteme vorübergehend voneinander abweichen. Auch wenn es dabei nur um Sekundenbruchteile geht, könnte das etwa im Börsenhandel oder bei der Satellitennavigation zu gravierenden Problemen führen. Dieses Risiko wollen die Messexperten bis auf Weiteres nicht mehr eingehen.

Einen Ticken schneller

Es ist ja schon schwierig genug, den Effekt auszugleichen, dass die Zeit für einen Satelliten in der Erdumlaufbahn einen Ticken schneller verstreicht als auf der Erde – eines der vielen merkwürdigen Phänomene, die sich mit Albert Einsteins Relativitätstheorie erklären lassen. Ursache ist die etwas schwächere Schwerkraft im Orbit, die das Voranschreiten der Zeit nicht so stark bremst wie auf der Erde.

Mit Blick auf die Zeit ist vieles relativ. Würde man die ganze Erdgeschichte von rund 4,5 Milliarden Jahren in einen Tag von 24 Stunden packen, entsprächen die rund 300 000 Jahre, in denen der moderne Mensch bis jetzt die Erde bevölkert, gerade mal knapp sechs Sekunden. Und die Zeit, die seit der Ausrufung der „Zeitenwende“ durch den Bundeskanzler verstrichen ist, liegt im Bereich von Millionstelsekunden. War da was?

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