Wissen

Panzer – eine tierische Erfindung

Angesichts des Ukraine-Kriegs redet die ganze Welt über Panzer. Auch in der Tierwelt spielen Panzer und Schuppen eine wichtige Rolle. Ein Ausflug in die faszinierende Welt von Schildkröten, Käfern und Krokodilen.

  • Bei Schildkröten verwächst Knochenmaterial zum Panzer – as führt zu den typischen Kreisen an dessen Oberfläche.Foto: imago/YAY Images

    Bei Schildkröten verwächst Knochenmaterial zum Panzer – as führt zu den typischen Kreisen an dessen Oberfläche.Foto: imago/YAY Images

Ein Marienkäfer hat mehr mit einem deutschen Leopard 2 Panzer gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint: Beide wären ohne einen robusten Schutz vor äußeren Angriffen ungeschützt und weitgehend hilflos. Die hauchzarten Flügel des Marienkäfers werden von einer halbkugelförmigen Hülle geschützt – den sogenannten Deckflügeln. Dieser „Panzer“ wiederum besteht aus zwei Schalen, zwischen denen sich Flüssigkeit befindet. „Das verleiht dem Ganzen noch mehr Druckfestigkeit“, erzählt Oliver Betz, ein Experte für wirbellose Tiere an der Uni Tübingen.

Dank ihres geschützten Körpers können die Marienkäfer unter Steine oder Holzstücke kriechen und sich so vor Feinden in Sicherheit bringen. Dies unterscheidet sie beispielsweise von Libellen, denen ein solcher Schutz fehlt und die deswegen auf einen anderen Lebensraum angewiesen sind. Die Deckflügel der Käfer „sind eine Schlüsselinnovation der Natur“, sagt Betz. Dank ihrem Körperbau konnten sich die Käfer zur artenreichsten Tiergruppe der Welt entwickeln. Egal ob Hirsch-, Mai- oder Mistkäfer – Panzer sind für die Käfer ein Erfolgsmodell.

Was Hummer und Panzer gemeinsam haben

Das gilt auch für den Hummer. „Mit seinen gepanzerten Brechscheren kann er Muscheln feinfühlig drehen und wenden und sie schließlich zerbrechen“, sagt Betz. Die harte Schale bietet Hummern und Krebsen zudem Schutz gegen Feinde. Doch gepanzerte Tiere stehen vor dem gleichen Problem wie die Konstrukteure von schwerer Militärtechnik: Wie bleiben die Tiere trotz des vermeintlich starren Körperbaus beweglich genug, um notfalls fliehen zu können? Beim Hummer sind die gepanzerten Körperteile über weiche Gelenkregionen miteinander verbunden. So kann sich das Tier trotz seines Panzers relativ flott fortbewegen.

Dieses Konstruktionsprinzip vergleicht Oliver Betz mit einem echten Panzer. „Auch dort müssen Fahrwerk und Geschützturm unabhängig vom Rumpf des Panzers beweglich sein.“ In der Evolution kamen Panzerungen in dem Moment ins Spiel, als sich bestimmte Tiere gegen Räuber wehren mussten. Panzer werden – egal ob in der Natur oder in der Technik – immer dann relevant, wenn Freund-Feind-Konstellationen entstehen.

Pavillon von einem Krebspanzer inspiriert

Im Fall des Hummers hat sich die Natur einiges einfallen lassen. Seine harte Hülle ist ein Wunderwerk der Biologie: Lebende Zellen im Inneren scheiden nach außen nicht zelluläres Material ab – in diese Masse werden zudem Fasern eingewoben und schichtweise abgelegt. „Das funktioniert wie auf der Baustelle mit Stahl und Stahlbeton“, erklärt der Forscher. Der Mix und die Anordnung der Fasern sorgen dafür, dass der Panzer besonders zugfest und robust wird.

Ein weiterer Vorteil: Der Krebspanzer ist leichter als Aluminium. Für die Konstruktion und das Leichtbaumaterial interessieren sich auch Forscher und Architekten: So entstand ein Pavillon, der vom Aufbau eines Krebspanzers inspiriert wurde.

Was beim Bauen in die Zukunft führt, hat vor langer Zeit begonnen: Der Urahn der gepanzerten Wirbeltiere lebte vor rund 400 Millionen Jahren im Zeitalter des Devon. Die imposanten Panzerfische wurden bis zu neun Meter lang. Das Skelett der Tiere befand sich an ihrer Außenseite und verlieh ihnen ihr charakteristisches Aussehen. Ein Nachteil: „So konnten sie sich nur schlecht bewegen“, sagt Katharina Foerster, die an der Uni Tübingen an Wirbeltieren forscht. Daher entwickelte sich im Laufe der Evolution das innen liegende Skelett. Im Zuge dessen entstanden bei den Fischen Schuppen.

Mehr Schutz oder mehr Geschwindigkeit?

„Schuppen bilden für den Körper der Fische eine wichtige Barriere“, erzählt Foerster. „Sie sorgen dafür, dass nicht zu viel Wasser in den Körper gelangt, und sie schützen vor Verletzungen.“ Mit der Zeit wurden die Schuppen leichter, die Fische beweglicher – so konnten sie besser vor Raubfischen fliehen. Im Zuge ihrer Anpassung an die Umwelt stellte sich für viele Tiere eine überlebenswichtige Frage: Sollten sie auf mehr Schutz oder mehr Schnelligkeit setzen? Bei den meisten Tieren steigerte die bessere Beweglichkeit die Chancen, sich in einem Ökosystem zu behaupten.

Von zügigem Tempo kann bei einer Schildkröte nicht die Rede sein. In der Ruhe liegt ihre Kraft: Droht ihr Gefahr, zieht die Schildkröte ihren Kopf und ihre Beine vollständig unter den Panzer zurück. Bei ihr verwächst Knochenmaterial zum Panzer, der von Keratin bedeckt ist – einer Hornsubstanz. Das Keratin wird dabei immer wieder von innen nach außen in den Panzer nachgeschoben. Dadurch entstehen die für einen Schildkrötenpanzer so typischen konzentrischen Kreise an der Oberfläche. „Man kann das mit den Jahresringen bei Bäumen vergleichen“, sagt Foerster.

Wozu Schuppen nützlich sind

Schutz im Tierreich ist ungeheuer facettenreich. „Panzer bei Wirbeltieren sind eigentlich Schuppenbildungen“, sagt Katharina Foerster. Daher ist der Weg nicht weit von der Schildkröte zum schuppenbewehrten Krokodil. „Egal ob Schlangen, Eidechsen oder Krokodile – alle Reptilien haben solche Hautschuppen“, sagt Katharina Foerster. Sie alle sind Nachfahren von Wasserbewohnern. Als sie an Land gingen, standen die Tiere vor neuen Herausforderungen. So bieten die Schuppen den Krokodilen Schutz – vor der Verdunstung. Ohne ihre Schuppen würden die Krokodile austrocknen.

Datenschutz-Einstellungen