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Früh erkannt, Gefahr gebannt?

Am Tag der Krebsvorsorge am 28. November klärt der Landeskrebsverband darüber auf, wie sinnvoll Untersuchungen zur Vorsorge und Früherkennung von Tumorerkrankungen wirklich sind – und welche die Baden-Württemberger lieber vor sich herschieben.

  • Besonders die Untersuchungen nach Hautkrebs schieben die Baden-Württemberger lieber vor sich her.Foto: picture alliance / Arco Images G/Rudolf

    Besonders die Untersuchungen nach Hautkrebs schieben die Baden-Württemberger lieber vor sich her.Foto: picture alliance / Arco Images G/Rudolf

Sie wollte schnell die neue Bluse anprobieren – und verharrte länger vor dem Spiegel: „Ich habe mich gefragt, ob der Leberfleck an meiner Schulter wirklich schon immer so groß war“, erzählt Ulrika Gebhardt. Kurz darauf habe sie einen Termin beim Hautarzt ausgemacht. Es zeigte sich: Der Leberfleck war ein Melanom. „Zum Glück war die Gefahr mit einer kleinen Operation gebannt“, sagt Ulrika Gebhardt. Aber ein paar Wochen später wäre es vielleicht nicht mehr glimpflich ausgegangen: „Vielleicht hätte das Melanom gestreut, vielleicht wäre eine Immuntherapie nötig gewesen.“

Die Pandemie hat die Zurückhaltung in Sachen Krebsvorsorge verstärkt

Ulrika Gebhardt ist die Geschäftsführerin des Landeskrebsverbandes Baden-Württemberg. Eine ihrer Hauptaufgaben ist es, mit ihrem Team Präventionsprojekte auf die Beine zu stellen, um über das Risiko an Krebs zu erkranken, besser aufzuklären. „Doch privat geht es mir mit dem Thema Krebsfrüherkennung wie vielen anderen auch“, sagt sie. Man weiß um die Wichtigkeit, aber dann funkt der Alltag mit seinen Herausforderungen dazwischen – und der Arzttermin wird vor sich hergeschoben. „Hinzu war jeder zur Hochzeit der Pandemie darauf bedacht, so wenig wie möglich rauszukommen.“

So zeigen aktuelle Zahlen der AOK Baden-Württemberg, dass sich die Bereitschaft der Menschen im Südwesten, regelmäßig die Termine zur Krebsvorsorge wahrzunehmen, nicht sehr hoch ist: Nach Auswertungen einer aktuellen Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido), hat es in Baden-Württemberg im zweiten Pandemiejahr 2021 erneut starke Rückgänge gegeben, die sich auch in der Omikron-Welle im ersten Quartal 2022 fortgesetzt haben.

Beim Hautkrebs-Screening werden schon Krebsvorstufen erkannt

Die Hautkrebsuntersuchung scheint dabei besonders gern aufgeschoben zu werden: Hier zeigt sich ein Minus von neun Prozent gegenüber dem Jahr 2019. „Im ersten Quartal 2022, das durch die Omikron-Welle geprägt war, war der Einbruch mit minus 19,3 Prozent gegenüber dem Vergleichs-Zeitraum 2019 sogar noch größer“, heißt es seitens der AOK Baden-Württemberg

Dabei gilt gerade das Screening auf die verschiedenen Hautkrebsarten wie Basaliom, spinozelluläres Karzinom und malignes Melanom nicht nur als gute Maßnahme zur Früherkennung, sondern auch als Krebsvorsorge: „Weil Dermatologen hier häufig Krebsvorstufen erkennen, die sich in einem zweiten Eingriff entfernen lassen, bevor sie zu Karzinomen werden“, sagt Gebhardt.

Bei der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs gibt es Zurückhaltung

Das gilt auch für die Untersuchungen zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs: Mit Hilfe des sogenannten Pap-Abstrichs , bei dem Zellen aus der Schleimhaut von Muttermund und Gebärmutterhalskanal entnommen werden, lassen sich bereits Vorstufen eines Zervixkarzinoms aufspüren. Doch auch hier waren die Frauen in Baden-Württemberg zurückhaltend: Nach Auswertung der AOK Baden-Württemberg lag die Zahl der Untersuchungen im vergangenen Jahr 6,5 Prozent unter dem Wert von 2019, im ersten Quartal diesen Jahres gab es noch ein größeres Minus von 11,5 Prozent.

Immerhin das Bewusstsein für Darmkrebs und dem Nutzen der Vorsorgeuntersuchung wächst. Denn beim Screening lassen sich nicht nur potenzielle Krebsvorstufen erkennen, sondern gleichzeitig auch entfernen. Bei diesen Darmspiegelungen zur Früherkennung ist gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 sogar ein Plus von 9,4 Prozent im Jahr 2021 und von 16,8 Prozent im ersten Quartal 2022 festzustellen. Die Vermutung der AOK-Fachärztin Sabine Knapstein: „Hier machen sich die Ausweitung des Kreises der anspruchsberechtigten Versicherten und das Einladungswesen bemerkbar.“

Die Bereitschaft frühzeitig Brust oder Prostata zu untersuchen, steigt

Auch über die häufigsten Krebsarten, Brust- und Prostatakrebs, sind sich viele bewusst. Aktuell stellen Ärzte deutschlandweit ungefähr 69 000 Mal im Jahr die Diagnose „Mammakarzinom“ bei einer Frau und rund 62 000 Mal die Diagnose „Prostatakrebs“ beim Mann. „So ist auch die Bereitschaft für eine Untersuchung höher“, so Gebhardt.

Bei der Prostatakrebs-Früherkennung gab es eher einen kleinen Rückgang von minus 4,6 Prozent im Gesamtjahr 2021 und minus 6,2 Prozent im ersten Quartal 2022. Beim Mammographie-Screening hat sich die Situation im Land nach starken Einbrüchen zur Hochzeit der Pandemie wieder normalisiert.

Risiko der Überdiagnose besteht

Dabei besteht gerade bei diesen beiden Früherkennungsmaßnahmen die Gefahr einer Überdiagnose: So werden etwa bei der Mammografie-Reihenuntersuchung häufig frühe Zellveränderungen festgestellt. Diese machen rund 20 Prozent aller auffälligen Befunde aus. Ob die Zellveränderungen irgendwann lebensbedrohlich werden, vermag indes niemand zu sagen. Daher werden die Frauen meist vorsorglich behandelt, was seh belastend ist und Nebenwirkungen mit sich bringt. Dennoch überwiegen nach Expertenmeinung die Vorteile dieser Untersuchung.

Auch Ulrika Gebhardt betont: „Es ist wichtig, dass Patienten im Rahmen jeder Krebsfrüherkennung umfassend aufgeklärt werden.“ Wichtig ist zu klären, was untersucht wird und welche Folgen ein positiver Befund habe. Nur dann können Patienten entscheiden, was sie wirklich wollen.

Krebs früh erkennen

Information
 Die AOK und die Deutsche Krebsgesellschaft haben den 28. November zum jährlichen „Tag der Krebsvorsorge“ ausgerufen. Der Krebsverband Baden-Württemberg informiert darüber per Social Mediakanäle (Instagram: krebsverband.bw, Facebook: Krebsverband Baden-Württemberg).

Vorsorg-O-Mat
 Die AOK Baden-Württemberg startet einen „Vorsorg-O-Mat“, www.aok.de/vorsorgomat. Dieser beantwortet den Nutzern die Frage, welche Krebsfrüherkennungs-Untersuchungen anstehen und was diese beinhalten.  

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