Politik

So bereitet sich Berlin auf die Wiederholungswahl vor

Fehlende Stimmzettel oder lange Schlangen vor den Wahllokalen, die Fehler bei der Chaos-Abstimmung im September 2021 waren verheerend. In zwei Wochen wird wieder gewählt. Läuft es in diesem Jahr besser? Ein Blick auf die Vorbereitungen.

  • Die Berlin-Wahl wird am 12. Februar wiederholt, dieses Mal soll nichts schiefgehen.Foto: IMAGO/Seeliger/IMAGO/snapshot-photography/T.Seeliger

    Die Berlin-Wahl wird am 12. Februar wiederholt, dieses Mal soll nichts schiefgehen.Foto: IMAGO/Seeliger/IMAGO/snapshot-photography/T.Seeliger

Ganz Deutschland blickt auf die Berliner Abgeordnetenhauswahl – und damit auch auf Günter Schiefen. Der Mann mit grauem Haar, schwarzer Jacke und weiß-blau kariertem Hemd steuert auf einen Polstersessel zu, der in einem langen, lichtdurchfluteten Flur im zweiten Stock des Rathauses Schöneberg in Berlin steht. „Hui“, sagt er erschrocken, als er sich hinsetzt und muss lachen. Das Polster hat stärker nachgegeben, als er erwartet hatte.

Mit Blick auf den Stapel an Unterlagen, den er gerade in die Hand gedrückt bekommen hat, stellt er überrascht fest: „Ich bin ja stellvertretender Wahlvorsteher.“ Der 75-Jährige hatte sich als Helfer für die Berlin-Wahl gemeldet, weil er sich einbringen wolle. Und weil es viel Geld gibt. „240 Euro plus 40 für die Schulung“, sagt der Rentner. Er lächelt verschmitzt.

Auf Menschen wie ihn kommt es bei der Wahl am 12. Februar an. Denn dann sollen Berlins Wahlhelfer dafür sorgen, dass sich das Debakel vom September 2021 nicht wiederholt. Falsche oder fehlende Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen und teils lange Schlangen vor den Wahllokalen, sodass viele Berliner erst weit nach 18 Uhr wählten – es war eine Chaos-Wahl.

Die Pannen waren so gravierend, dass der Berliner Verfassungsgerichtshof die Wahl im November 2022 für ungültig erklärte und die Wahlwiederholung anordnete. Einen Eilantrag gegen diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht mittlerweile abgelehnt.

Vorbereitungen sind in vollem Gange

Die Vorbereitungen in der Hauptstadt laufen folglich auf Hochtouren. Briefwahlunterlagen werden verschickt, Pakete für die Wahllokale gepackt und Wahlhelfer wie Günter Schiefen geschult. Dafür ist der Rentner heute im Rathaus Schöneberg, vor dem einst der amerikanische Präsident John F. Kennedy sagte: „Ich bin ein Berliner.“

Schiefen erhebt sich langsam aus dem Polstersessel, auf dem er es sich gemütlich gemacht hatte. Gerade ist die große Flügeltür zu dem Saal geöffnet geworden, in dem sonst die Bezirksverordnetenversammlung tagt, das Parlament des Bezirks. Dort startet gleich seine Schulung. Rund 50 Wahlhelfer – ungefähr gleich viele Männer und Frauen, teils jung, teils älter – drängeln sich in den Saal. „Gibt’s hier irgendwo Kaffee und Kuchen?“, fragt Schiefen in die Runde und lacht. Dann folgt er den anderen in den Saal.

Fehler sollen sich nicht wiederholen

Warum aber konnte es im September 2021 zu den gravierenden Pannen kommen? Das Problem war die schlechte Vorbereitung – für ein herausforderndes Unternehmen. Am selben Tag wie die Wahl zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten wurde damals auch der Bundestag gewählt. Zudem fand in Berlin noch ein Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungsbaugesellschaften statt. Dazu kamen Corona-Bedingungen in den Wahllokalen und Absperrungen in der Stadt wegen des Berlin-Marathons.

Landeswahlleiter Stephan Bröchler will den rund 2,4 Millionen wahlberechtigten Berlinern nun eine, wie er sagt, „reibungsarme“ Wahl zu ermöglichen. „Der Druck ist hoch“, sagt der 60-Jährige. So gebe es zig Medienanfragen aus dem In- und Ausland, jemand aus Südkorea wollte sogar einen Kinofilm über die Wahl drehen, erzählt er. Spricht der Mann im hellgrauen Anzug, sind seine Gesichtszüge weich, er lächelt. Er scheint ziemlich sicher, zeigen zu können: Berlin kann Wahl.

Bröchler macht den Job als Landeswahlleiter ehrenamtlich, parallel lehrt er als Professor für Politik- und Verwaltungswissenschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Für den 12. Februar hat er einige Vorkehrungen getroffen: Anstatt zwei Wahlkabinen pro Wahllokal gibt es nun mindestens drei, in der Regel aber zwischen vier und sechs.

Stimmzettel sollen nicht noch einmal ausgehen – es sind deutlich mehr gedruckt worden als beim letzten Mal. Und: Es gibt mehr Wahlhelfer, die besser bezahlt werden. Statt bislang in der Regel 60 Euro „Erfrischungsgeld“ erhalten sie jetzt eben jene 240 Euro. „Bei der letzten Wahl hatten wir 35 000 Helfer, jetzt brauchen wir 42 000, gemeldet haben sich 52 000.“

Stimmzettel werden genau kontrolliert

Dafür, dass die am 12. Februar hoffentlich alles haben, was sie brauchen, sorgen Menschen wie Norbert Rahn. Der 63-Jährige legt gerade im Rathaus eines Berliner Bezirks – ganz langsam und behutsam – einen Stapel Wahlzettel auf eine Briefwaage. „Ich habe nämlich gemerkt, dass ich mich nicht darauf verlassen kann, dass das auch, wie vorgesehen, tatsächlich 100 sind“, sagt er mit Blick auf das Bündel Stimmzettel neben ihm. Ein Bündel muss 385 Gramm wiegen. Sonst weiß Rahn: Da stimmt etwas nicht. Vorab hat er bereits kontrolliert, ob es die Stimmzettel für den richtigen Wahlkreis sind. „Wir haben die Zettel alle schon mal in der Hand gehabt“, sagt er.

Rahn gibt zu: „Natürlich gibt es auch Phasen, wo man denkt, dass es hier kein Ende gibt.“ Dabei schaut er auf den Tisch vor sich, auf dem sich die Pappkartons mit Stimmzetteln stapeln, die er noch kontrollieren muss. Weitere solcher Kisten warten auf Holzpaletten an der Wand. Man müsse dann „einfach durchhalten“.

Material für Wahllokale wird gepackt

Derweil sieht es um Rahn herum aus, als würde jemand umziehen. Neben den Kartons stehen auch reihenweise braune Papptaschen, vollgepackt etwa mit FFP2-Masken, Schnelltests und Desinfektionsmittel, in dem großen, hellen Raum mit Backsteinboden. Auf einem Tisch in der Mitte liegen Berlin-, Deutschland-, und Europafahnen und Papierumschläge, in die später die ausgezählten Stimmen gehören. Das alles soll in die Wahllokale, wenn es so weit ist.

Läuft bei den Vorbereitungen alles rund? In den vergangenen Wochen gab es – mal hier, mal dort in Berlin – auch „kleinere Pannen“, gibt Landeswahlleiter Bröchler zu. „Keine Wahl ist zu 100 Prozent fehlerfrei“, sagt er. So wurden in den letzten Wochen zum Beispiel Briefwahlunterlagen teils doppelt verschickt. Im Bezirk Neukölln stand außerdem ein FDP-Kandidat auf dem Wahlzettel, der nicht mehr in Berlin lebt. „Ärgerlich“, sagt Bröchler. Er sagt aber auch: „Der Mitarbeiter, dem der Fehler passiert ist, hatte einen 18-Stunden-Tag.“ Die Bezirksämter seien durch die Wahlvorbereitungen am Limit.

Würde die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) diesmal sogar Wahlbeobachter entsenden? Mitte Januar war eine Vorab-Delegation in Berlin, um sich ein Bild von den Vorbereitungen zu machen. Sie entschied dann, keine OSZE-Wahlbeobachter zu senden. Man habe „großes Vertrauen“ in das Vermögen der Berliner Wahlbehörden hieß es. „Ich hätte eine Beobachtung begrüßt“, sagt Bröchler. Er wirkt fast etwas enttäuscht, der OSZE das Ergebnis seiner Wahlvorbereitungen nicht präsentieren zu können.

Wahlhelfer-Schulung liefert viele Infos

Im Rathaus in Schöneberg ist die Wahlhelferschulung jetzt vorbei. „Sehr viel Information“, resümiert Rentner Günter Schiefen. Er kneift die Augen zusammen, wirkt erschöpft. Rund zwei Stunden ging es beim Vortrag um Fragen wie: Welche Aufgaben haben die einzelnen Mitglieder des Wahlvorstands? Wo im Raum müssen die Wahlkabinen stehen? Dürfen Kinder mit in die Wahlkabine? Wie werden die Stimmzettel ausgezählt?

Schiefen ist froh, dass er sich die vielen Infos noch einmal im Internet runterladen kann. Auf die Frage, ob am 12. Februar denn alles glattlaufen werde, antwortet er erst: „Ich hoffe.“ Dann klingt er aber überzeugt: „Eine dritte Wahl wird es nicht geben.“

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