VaihingenTierische Bande

Die Liebe kommt 15-fach zurück

Tierische Bande: Familie Kaag in Aurich ist erst komplett, seit die Meerschweinchen und Hündin Fiona dazu gehören.

  • Andreas, Viktoria, Antonia und Esther Kaag mit ihren Vierbeinern. Foto: Rücker

    Andreas, Viktoria, Antonia und Esther Kaag mit ihren Vierbeinern. Foto: Rücker

Aurich. Die Rechnung ist ganz einfach: Vier Meerschweinchen plus ein Hund macht 15-fache Liebe. Denn, erklärt die 13-jährige Viktoria, die Liebe, die man den Tieren schenke, komme dreifach zurück – pro Tier.

Bei Familie Kaag in Aurich wird es nicht langweilig. Neben den Eltern und den Töchtern Antonia und Viktoria zählen die Meerschweinchen Mia, Marie, Jana und Jan sowie Hündin Fiona dazu. Erst mit ihr, dem Straßenhund aus Griechenland, sei die Familie im vergangenen Jahr komplett geworden. Zuerst war die Meerschweinchenbande da. „Wir hatten uns immer Tierchen gewünscht, wir wollten einen Hund“, erzählt Viktoria. Doch das sei damals vor acht Jahren noch nicht gegangen.

Da die Meerschweinchenhaltung in der Familie von Mutter Esther bis zur Oma zurückreicht, habe sich die Familie für diese Tierart entschieden. Mit Sternschnuppe und Regenbogen aus einer Familienhaltung ziehen die ersten Weibchen im Auricher Zuhause ein. Als Sternschnuppe stirbt, wird der Versuch unternommen, mit dem von einer Züchterin ausgeliehenen Meerschweinchenbock Bobby Junge zu bekommen. Denn Regenbogen habe sehr getrauert. „Meerschweinchen muss man mindestens zu zweit halten“, erläutert Antonia. Die Freude, als Bobby ankam, sei groß gewesen, sagt die 16-Jährige. Er wird von Regenbogen abgeschleckt und sie schleppt ihm eine Möhre heran.

Bio bei der Gurke muss sein, denn „die schmecken den Unterschied“

Doch die Sache mit dem Nachwuchs klappt nicht und so zieht die schöne Emma zu Regenbogen. Als Zweitere stirbt, wird Gesellschaft für Emma gesucht, bei der Züchterin wird Fienchen auserkoren, zu der Papa Andreas Kaag gleich einen ganz besonderen Draht gehabt habe. Die Töchter hatten derweil zwei Jungtiere nur mal kurz streicheln wollen, und es kommt, wie es kommen muss: Auch die sechs Wochen alten Weibchen Marie und Mia dürfen mit nach Hause kommen.

In den Sommerferien 2019 weilt die Kaagsche Viererbande bei einer Familie mit Meerschweinchenböcken – in einem Käfig aber strikt getrennt. Doch einer der Jungs sei so bedürftig gewesen, dass er den Holzboden nach Nagetiermanier so lange bearbeitet, bis er auf die Weibchen plumpst. Und es kommt wieder, wie es kommen muss: Marie ist trächtig. „Man hat die Tritte gespürt, es war unheimlich süß“, erinnert sich Viktoria. Im Oktober, am Geburtstag der Oma, werden vier Jungtiere geboren, macht acht Meerschweinchen. Zunächst müssen Männlein und Weiblein getrennt werden. „Denn die Männchen sind wirklich extrem hormongesteuert“, sagt Mutter Esther. Die Böcke scheuen keine Mühen, um an die Weibchen zu gelangen, es kommt zu ausgiebigem Gepiepse und zeitweise zum Ausbruch vom Herren-Hügel. Nach einem halben Jahr werden die Männchen kastriert, dann kann die Gruppe wieder zusammen gehalten werden, erzählt Antonia. Mittlerweile besteht die Gruppe aus Mia, Marie, Jana und Jan und ist laut Aussage ihrer Menschen ein Dream-Team.

Meerschweinchen seien sehr soziale Wesen, erzählen Mutter und Töchter. Eine Altersbetreuung und die Mitbetreuung einer jungen Mutter konnten sie selbst beobachten. „Die sind sehr intelligent“, ergänzt Antonia. Wenn beispielsweise die Futtertüte raschelt, dann wird gepiepst vor Freude. Und wenn sie abends rein wollen, nehmen sie Blickkontakt zu ihren Menschen auf. Wenn dann keiner reagiert, wird eine Formation gebildet und es kommt zur Attacke auf das Gitter. Wahlweise quetscht man sich dann auch gern mal durch Lücken durch.

Erst systematische Vorgehensweise und dann ein Geschwister-Team

Meerschweinchen lernen voneinander und bräuchten auch was zum Spielen. Und wenn man sich viel mit ihnen beschäftige und zart ans Streicheln gewöhne, wenn man ihnen viel Liebe schenke, dann seien sie sehr verschmust, berichtet das Mutter-Töchter-Trio. Auf gar keinen Fall dürfe man Meerschweinchen am Nacken halten oder sie einfach packen, „sie sind schon empfindlich“, sagt Esther Kaag.

Das Futter sollte möglichst naturbelassen sein, wichtig sei, immer Heu anzubieten. Außerdem stehen dreimal täglich Radicchio, Apfel, Melone, Karotte und Co. auf dem Speiseplan. Und Biogurke – „die schmecken den Unterschied“. Nun könnte die Geschichte zu Ende sein, aber vor allem Viktoria spürt, dass die Familie noch nicht vollständig ist.

Auch die Familie väterlicherseits ist sehr tierlieb, hier spielten Hunde die Hauptrolle. Besonders nachdem der Vierbeiner der Tante gestorben war, „habe ich gemerkt, ich brauche das, ich will unbedingt einen Hund“, sagt Viktoria. Im Februar vergangenen Jahres intensiviert sie ihre Anstrengungen, die Schwester und Eltern zu überzeugen. „Ich habe angefangen, systematisch vorzugehen“, räumt sie ein.

Bald ist es das Geschwister-Team, das die Eltern bearbeitet. Doch die sind skeptisch, die Mutter arbeitet als Krankenschwester in Schichten. Wie soll man dem Hund gerecht werden, lautet hier die Frage. Zu diesem Zeitpunkt geschehen zwei Dinge: Zum einen kommt die Corona-Pandemie mit Homeoffice und -schooling über die Nation, zum anderen erobert die zweieinhalbjährige Hündin Fiona mit ihrem Blick die Herzen der Familie. Viktoria hat sie auf der Homepage des Vereins Hope for paws Nigrita mit Sitz in Ötisheim gefunden. Die Vorsitzende Verena Goiss und ihre Mutter hätten sich unheimlich viel Mühe gegeben und wollten diese Hündin zunächst gar nicht so gerne an eine relativ unerfahrene Familie übergeben. Denn Straßenhund Fiona, die zu dem Zeitpunkt im griechischen Refugium lebt, sei sehr sensibel und ängstlich. Doch nach Gesprächen und einem Besuch der Vereinsvorsitzenden bei der Familie darf Fiona mit Ziel Stuttgart-Aurich eingeflogen werden. Ende Juni geht es um 8 Uhr morgens zum Stuttgarter Flughafen.

Bei der ersten Begegnung fließen bei den neuen Hundebesitzern Tränen

„Wir haben alle geweint, weil das so emotional war“, sagt Viktoria. Fiona sitzt zitternd in ihrer Box. Die Frauen vom Verein tragen sie ins Auto. Der Anfang ist nicht ganz einfach, es braucht viel Geduld und auch Wissen. Spezielle Bücher werden gelesen und Nadine Fröhlich, eine ehemalige Schulkameradin von Esther Kaag und ihres Zeichens nun Hundetrainerin, wird recht schnell hinzugezogen. In der ersten Wochen mag die Hündin nicht laufen und wird von Hand gefüttert. Wie bei einem Patienten sei man vorgegangen, sagt Krankenschwester Esther Kaag. Die Familie lässt sich in die Hundesprache einführen. Ganz langsam und behutsam wird Vertrauen aufgebaut und die Hündin taut auf. Inzwischen macht sie – fast – alles mit, kann jede Menge Gehorsamsübungen und Kunststückchen.

Fiona liegt entspannt im Garten – in Sichtweite zu den Meerschweinchen. „Am Anfang hatten sie Angst voreinander“, berichtet Antonia. Doch mit Einfühlungsvermögen und einer gerechten Liebesverteilung ist die friedliche Koexistenz gelungen. „Wir sind trotzdem immer dabei“, lässt Esther Kaag wissen. Die Familie sei jetzt rundum glücklich. „Sie ist komplett, so wie sie sein soll“, befindet Viktoria. In Anlehnung an Loriot: Ein Leben ohne Tiere ist möglich, aber sinnlos.

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