VaihingenTierische Bande

Der Funke ist gleich übergesprungen

Bei Familie Schelling in Horrheim sind im Juni zwei Zwergesel eingezogen. Bei den regelmäßigen Spaziergängen entpuppen sich die beiden als Attraktion und auch die Friedhofsbesucher werfen gerne einen Blick auf die Langohren.

  • Zorro und Marie im Zwiegespräch beim Ausflug zum Panoramabänkle auf den Klosterberg in Horrheim. Fotos: Schelling/Rücker

    Zorro und Marie im Zwiegespräch beim Ausflug zum Panoramabänkle auf den Klosterberg in Horrheim. Fotos: Schelling/Rücker

Horrheim. Jetzt macht sogar der Gang auf den Friedhof Spaß. Das hätten ihm ältere Damen schon erzählt, sagt Wolfgang Schelling, seit Juni Esel-Besitzer. Denn über den Friedhofszaun hinweg hat man – wenn sie da sind und nicht bei der Feldscheune stehen – freie Sicht auf Rocky und Zorro, die zwei Zwergesel der Familie Schelling. Horrheim ist seit deren Einzug in gewisser Weise um eine Attraktion reicher geworden. „Da halten die Leute mit dem Auto an und fragen, ob sie ein Foto machen dürfen“, berichtet Wolfgang Schelling von den regelmäßigen Spaziergängen mit den beiden Eselwallachen.

Am 18. Juni sind diese an den Klosterberg gezogen. Dem Einzug ging eine gut einjährige Findungsphase voraus. Zwar gab beziehungsweise gibt es in der Großfamilie Schelling Kühe, Hunde und Pferde, aber „wir als Familie haben noch keine Tiere gehabt“, sagt Kerstin Schelling. Während die zwölfjährige Tochter Pauline nicht so eselverrückt sei, hätten sich die zehnjährige Marie und Mama Kerstin irgendwann auf die Esel versteift, so der Vater. Alpakas seien zwar auch mal zur Debatte gestanden, die würden sich aber nicht so gerne streicheln lassen.

Da Kerstin Schelling auf Katzen allergisch ist, habe man von der Anschaffung eines Hundes ebenfalls abgesehen, unter anderem, weil er ja immer im Haus ist. Außerdem ausschlaggebend war der Wunsch von Marie: „Ich wollte halt nicht so kleinere Tiere, sondern ein größeres …“ Sie sei mit Pferden und Kühen aufgewachsen, erklärt ihr Vater. „Ich hätte auch ’ne Kuh genommen“, meint Marie. Und Opa Herbert Schelling, der gerade vorbeikommt und auf dessen Hofstelle die beiden Esel ihre neue Heimat gefunden haben, kann es immer noch nicht so recht fassen. „Des hätt i net glaubt, dass uff unserem Hof nomol Esela romlaufa.“

Es hat gleich beim ersten Besuch gepasst

Die Eselliebhaber lesen sich Wissen über die Tiere an, Esel sollen beispielsweise mindestens zu zweit gehalten werden. Vorsorglich wird für das Frühjahr kein Urlaub geplant. Denn, erklärt Wolfgang Schelling, die meisten Esel gebe es in Norddeutschland und da wären womöglich ein paar Fahrten gen Norden angestanden.

Doch der Zufall – oder das Schicksal? – kommt der Familie zu Hilfe. Oma Agnes Schelling entdeckt eine Anzeige im Landwirtschaftlichen Wochenblatt. Zwei Esel sind in Oberstenfeld abzugeben. Eine Familie mit einem eigenen Betrieb hat nicht mehr so viel Zeit für die Tiere. Das erste Telefonat dauert eine halbe Stunde, erinnert sich Wolfgang Schelling. Die Vorbesitzerin habe alles genau wissen wollen, die Familienhintergründe, woher das Futter kommt, wie die Esel untergebracht werden sollen et cetera. Nach 14 Tagen Bedenkzeit kommt die Nachricht aus Oberstenfeld: Die Schellings dürfen die Esel haben. Am selben Abend rücken Kerstin, Marie und Wolfgang Schelling gen Nordosten aus. Bei den Vorbesitzern angekommen spurten die Esel gleich herbei und „es hat gleich gepasst, der Funke ist gleich übergesprungen“, erinnert sich Wolfgang Schelling. Ein paar Wochen gehen noch ins Land, in denen die Box gebaut und alles vorbereitet wird, dann wechseln die sogenannten Equiden-Pässe, in denen unter anderem alle Impfungen vermerkt sind, und die Tiere den Besitzer. Tochter Marie erhält eine ausführliche Einweisung auch in das unterschiedliche Wesen von Zorro und Rocky. Zorro ist zum Beispiel der größere der beiden und trotz seiner geschätzten 250 Kilogramm Gewicht eher schreckhaft. Der kleinere Rocky ist dagegen unerschrocken aber unglaublich verfressen.

Mindestens dreimal in der Woche gehen die Horrheimer mindestens eine Stunde lang mit ihren Eseln spazieren. Unter Zeitdruck stehen dürfe man dabei nicht, sagt Kerstin Schelling. Denn in letzter Instanz bestimmt der Esel, wie schnell es vorwärts geht. Beispielsweise sei am Anfang noch die Idee gewesen, die Esel beim Ausflug kurz mal fressen zu lassen und dann weiterzugehen. Das endete damit, dass die Tiere und vor allem Rocky sich erst wieder von der Stelle bewegten, nachdem der Hunger gestillt war. Denn: Wenn der Esel nicht will, dann will er nicht. Jetzt darf in der Regel nichts unterwegs gefuttert werden.

Die sprichwörtliche Sturheit der Esel

Zorro hat dagegen schwere Bedenken, wenn er beispielsweise über Kanaldeckel oder Ähnliches laufen soll. Da sei es am besten, man kennt die Strecke, sonst kommt einem womöglich die sprichwörtliche „Sturheit“ der Esel in die Quere. Dies sei keineswegs Dummheit, sagen die Horrheimer, sondern eher Besonnenheit. Die Tiere bleiben dann stehen – nicht etwa, weil sie keine Lust hätten, sondern weil sie beispielsweise etwas beunruhigt und sie erst mal die Lage peilen.

Auch sonst brauchen die Esel Beschäftigung. So wird das selbst gemachte Heu in zwei Netze verpackt, „da sind sie dann schon mal zwei Stunden beschäftigt“, weiß Wolfgang Schelling. Zweige von Kirschen und Weiden werden von den Eseln sorgfältig von den Blättern und der Rinde befreit oder gleich ganz gefressen, wenn sie klein genug sind. Manchmal tragen die Esel zum Zeitvertreib Eimer herum, oder sie zupfen an einem aufgehängten Teppich. Wenn sie hören, dass Marie mit dem City-Roller von dem zwei Straßen entfernten Wohnort der Familie zur Hofstelle fährt, wird sie mit einem lauten „IA“ begrüßt. Wenn sie traurig ist, kann sie zu den Eseln gehen und sie umarmen, sagt Marie. Und auch Bodenarbeit, also gewisse Übungen, seien möglich. Mit Rocky kann sie rückwärts gehen. Kuscheltiere seien die Esel aber keineswegs, sagt Kerstin Schelling. Man müsse schon aufpassen.

Obwohl Zorro Angst vor Männern hat, darf Papa Wolfgang Schelling regelmäßig auch seine Hufe säubern. Überhaupt die Hufe – sie sind an trockenen Untergrund angepasst, wie zum Beispiel an der Hofstelle der Schellings. Länger in einer nassen Wiese stehen dürfen die Esel deshalb nicht.

Zorro und Rocky befinden sich mit ihren 13 und 14 Jahren in der Jugendphase ihres Lebens, das gut 40 Jahre währen kann. Wenn alles gut geht, „gehen die beiden mit uns in Rente“, stellt Wolfgang Schelling fest.

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