Phänomene der Natur

Phänomene der Natur

  • Ein hübscher Bursche ist der Zottige Bienenkäfer, der auch im Garten rumsitzt.  Fotos: Rücker

    Ein hübscher Bursche ist der Zottige Bienenkäfer, der auch im Garten rumsitzt. Fotos: Rücker

Liebe Leserinnen, liebe Leser,
zum Glück gibt es die kleinen Freuden, die einem durch die Pandemie nicht vermasselt werden. Dazu gehören die Entdeckungen beim Spaziergang und im Garten. Zum Beispiel ein lustig behaarter Käfer, der für manche Mitgeschöpfe gar nicht so harmlos ist.

Er schmiegt sich gerne mal in einen gelben Hahnenfuß, die schwäbische Butterblume, und tummelt sich auch auf anderen Blüten: der Zottige Bienenkäfer, wissenschaftlich Trichodes alvearius. Er ist ein auffälliger Typ, den man eigentlich nicht übersehen kann und fühlt sich auch in so manchem Garten wohl. Mit seinem blauschwarzen Körper und roten Bändern sowie einer unkonventionellen Frisur, die im Trivialnamen als zottig beschrieben wird, sticht er ins Auge. Vom eng verwandten Gemeinen Bienenkäfer, Trichodes apiarius, unterscheidet ihn zum Beispiel, dass er eine schwarze Flügelnaht zur Schau trägt. Mit seinen rund eineinhalb Zentimetern Länge ist er nicht sonderlich groß, aber eben doch ein bunter Hingucker. Der Käfer aus der Familie der Buntkäfer mag es warm. Im Norden und Osten der Republik ist der besonders geschützte Geselle teilweise sehr selten oder gar nicht zu finden. In Deutschland gilt er laut Roter Liste als gefährdet. Bei uns knabbert er an sonnigen Orten gerne Blütenpollen von Korbblütlern und Co, aber nicht nur. Mit seinen kräftigen Beißwerkzeugen rückt er auch anderen Insekten zu Leibe und zerlegt gerne mal andere Käfer. Als Juvenilform macht er auch vor Wildbienen nicht Halt, soll allerdings keine Gefahr für Honigbienen und deren Nachkommen darstellen. Und jetzt wird es ein wenig brutal: Die Larven leben in den Nestern von Pelz- , Masken-, Löcher- und Mauerbienen, wo sie mit ihren Mandibeln die Wände der Zellen öffnen und die Brut fressen, berichtet zum Beispiel das Projekt „Insekten Sachsen“. Das Weibchen des Zottigen Bienenkäfers legt folglich ihre Eier in die Nester der Wildbienen. Die Larven, die aus den Eiern schlüpfen, sind, wie die adulten Tiere, stark behaart und unempfindlich gegenüber Bienenstichen.

Wildbienenspezialist und -liebhaber Dr. Paul Westrich nimmt dem hübschen Käfer und sein Wüten in den Kinderstuben von Wildbienen zum Anlass darauf hinzuweisen, dass durch den Rückgang bei den Wildbienenarten auch die von ihnen lebenden Geschöpfe in Gefahr geraten: „Die Erhaltung und Förderung von Wildbienen ist somit die Voraussetzung für die Bestandssicherung auch dieser Lebewesen“, schlussfolgert er auch am Beispiel des Zottigen Bienenkäfers auf seiner Homepage.

Die Flugzeit des Bienenkäfers reicht von Mai bis August. Verwirrenderweise wird die Käferart auch Bienenwolf genannt, womit aber auch eine Grabwespen-Art gemeint sein kann. Verwandte unseres schönen Zottigen Bienenkäfers werden zum Teil als Schädlingsbekämpfer und somit Nützlinge eingesetzt, hierzu gab es schon Untersuchungen in Gebäuden mit Schädlingsbefall am Holz, aber auch im Forst, beispielsweise bei der Bekämpfung des Borkenkäfers. So berichtete die „Hessische Niedersächsische Allgemeine“ vor Kurzem von anlaufenden Feldversuchen. Dr. Karthi Balakrishnan sucht demnach nach synthetisch hergestellten Stoffen, die einen Fressfeind des Fichtenwaldschädlings Borkenkäfer anlocken, nämlich den Ameisenbuntkäfer. Auch auf der Internetseite museumsschädlinge.de werden Vertreter der Buntkäfer als Gegenspieler des Holzschädlings Gemeiner Nagekäfer genannt.

Ebenfalls ein Spaziergang-Fund der vergangenen Tage ist ein Bockkäfer, auch für Laien erkennbar an den überlangen Fühlern. Er saß in der Nähe einer Obstwiese am Ackerrand herum und blickte etwas irritiert in die Kamera.

Abgesehen von der Tatsache, dass Bockkäfer immer irgendwie spektakulär sind, gibt es über diese Art wohl gar nicht so viel zu sagen – ein schöner Bursche ist er trotzdem. Vermutlich handelt es sich um den Variablen Stubbenbock, wissenschaftlich Stenocorus meridianus. Seine Färbung ist, wie der Name schon sagt, sehr variabel und einen besonderen Touch erhält er durch die seidig glänzende Behaarung. Während der erwachsene Kerf sich von Pollen und Nektar ernährt, zeugt seine Anwesenheit aber auch davon, dass es vermutlich kranke Bäume in der Nähe gibt. Denn dort, im morschen Holz, entwickelt sich die Larve des Bockkäfers.

Kurz nach dieser Entdeckung wuselte ein rundes Käferchen über den Feldweg und erregte mit seinem Aussehen Aufsehen. Entfernt erinnerte das rasch querende Insekt an einen Vertreter der Marienkäfer, war dafür aber doch etwas zu plump und irgendwie anders gebaut. Meiner Diagnose nach handelt es sich bei dem Burschen um den Vierfleck-Gaukler, wissenschaftlich Hister quadrimaculatus, laut Roter Liste Deutschland eine gefährdete Tierart. Er ist ein Vertreter aus der Familie der Stutzkäfer – noch nie was von dieser Käferfamilie gehört, oder schon wieder vergessen, wer weiß ... Immerhin sollen 85 der weltweit rund 4000 Arten der Stutzkäfer in Deutschland vorkommen. Sie haben gute Tricks auf Lager, denn bei Gefahr können sie sich quasi tot stellen und verfallen in einen Starrezustand, die sogenannte Thanatose, bei der Fühler und Beine in dafür vorgesehene Gruben eingezogen werden. Wer ihn im Garten findet braucht keine Angst um sein saftiges Grün zu haben, denn der ausgewachsene Käfer und auch die Juvenilformen knabbern nicht an frischen Pflanzen, sondern lieben vor allem Mist und verrottendes Pflanzenmaterial, in dem sie nach Insektenlarven suchen. Erstaunlicherweise soll diese Käferart eine Lebenserwartung von mehreren Jahren haben. Obwohl – das gibt es ja öfter mal, siehe Maikäfer, aber meistens ist es die blasse Larve, die teils Jahre im Boden verbringt. Der schöne Käfer in seiner Pracht, der ist dann meist nach kurzer Zeit perdu. Das weiß er hoffentlich nicht. Dem pandemiegeplagten Spaziergänger kann der Blick auf die geflügelten Gesellen aber immer Freude bereiten.

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s.ruecker@vkz.de

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