Stuttgart

Rechtsruck mit Widersprüchen

Der Erfolg der regierenden HDZ in Kroatien mit Andrej Plenkovic birgt viele Unwägbarkeiten.

Selten haben Kroatiens Wählerinnen und Wähler in den vergangenen Jahren in so großer Zahl ihren Willen zum Wechsel demonstriert wie bei der Parlamentswahl in dieser Woche. Doch obwohl die von unzähligen Korruptionsskandalen geschüttelte HDZ längst überreif für eine Besinnungspause auf der Oppositionsbank scheint, wird Kroatiens konservative „Systempartei“ mit etwas mehr als einem Drittel der Stimmen auch künftig die Karten im Adriastaat austeilen: Statt der von vielen Wählern ersehnten Erneuerung steht der Küstenstaat nach einem ungekannt harten Wahlkampf vor einem paradoxen Rechtsruck.

Mit dem sich abzeichnenden Erstarken nationalistischer Kräfte im Kabinett liegt Kroatien einerseits im EU-weiten Trend, mit dem Wahlergebnis andererseits allerdings auch nicht. Im Gegensatz zu vielen EU-Mitgliedsstaaten haben auch die linksliberalen Kräfte bei den Parlamentswahlen selbst leicht zugelegt.

Die Rechnung des linkspopulistischen Staatschef Zoran Milanovic, mit seiner vom Verfassungsgericht verbotenen Selbstkandidatur Wähler der sozialdemokratischen SDP zu reaktivieren, ging indes nur zum Teil auf: Der polarisierende Politsolist trieb mit seinem von ihm inszenierten Alphatier-Duell gegen Premier Andrej Plenkovic nicht nur vermehrt SDP-, sondern auch HDZ-Sympathisanten an die Urnen.

Da die HDZ fünf ihrer bisher 66 Mandate eingebüßt hat, kann sie künftig allerdings nicht mehr mit den handzahmen Minderheiten regieren, sondern ist auf einen „echten“ Koalitionspartner angewiesen. Das könnte die rechts-nationalistische „Heimatbewegung“ (DP) sein.

Von rechts bis links hatten alle der bisherigen Oppositionsparteien im Stimmenstreit eine Koalition mit der einhellig kritisierten HDZ abgelehnt. Doch schon in der Wahlnacht signalisierte die DP als drittstärkste Kraft, ihre Bereitschaft zur Kehrtwende. HDZ und „Heimatbewegung“ sind sich zumindest vertraut. Der Großteil der 2020 gegründeten und vor allem in der Region Slawonien stark verwurzelten DP rekrutiert sich aus früheren Parteirechten der HDZ.

Doch sicher ist die neue, sich abzeichnende Mehrheit noch keineswegs. Unklar ist auch noch, wie viele Abgeordnete der DP-Fraktion den sich abzeichnenden Kurswechsel der Parteiführung auch mittragen werden: Offener Widerspruch gegen eine Koalition mit der HDZ wurde bereits auf der DP-Wahlparty laut.

Doch wäre Plenkovic überhaupt fähig, eine Regierung mit der von ihm jahrelang verhöhnten DP zu führen? Den Preis, den die „Heimatbewegung“ für den Einstieg ins Regierungsboot fordern dürfte, könnte auch ein Wechsel des Ministerpräsidenten sein. Ein von den Medien bereits gehandelter Nachfolgekandidat ist der HDZ-Verteidigungsminister Ivan Anusic, der als strammer Parteirechter aus Slawonien auch für die DP akzeptabel wäre. Der frühere Europaparlamentarier Plenkovic könnte derweil nach der Europawahl auf einen hochrangigen EU-Posten zurück nach Brüssel „befördert“ werden.

Doch egal ob „Plenki“ zum dritten Mal die Regierungsgeschäfte übernimmt oder von einem rechten Diadochen abgelöst wird: Eine verstärkt im nationalistischen Fahrwasser segelnden Regierung ohne Vertreter der nationalen Minderheiten dürfte es noch schwerer fallen als bisher, mit den Nachbarn und früheren Kriegsgegnern eine gemeinsame Sprache zu finden.

Vermehrte Spannungen in der an Problemen keineswegs armen Region wären bei dem Regierungseintritt der Nationalisten absehbar – und für Europa sicherlich keine gute Nachricht.

Datenschutz-Einstellungen