Panorama

Kollapsologie: Das Ende kommt – nur wann?

Naht das Ende unserer Zivilisation? Und das schon bald? Wissenschaftler rätseln, wie sich diese Frage beantworten lässt. Die Kollapsologie-Bewegung hat ihre Antwort schon gefunden: Das Ende, der Welt, wie wir sie kennen, ist nahe. Resignieren wollen Kollapsologen aber trotzdem nicht.

  • Und wenn unsere Zivilisation zusammenbrechen würde? Nicht  in einigen Jahrhunderten, sondern noch zu unseren Lebzeiten? Werden von der Menschheit am Ende nur Fossilien übrig bleiben?Foto: Imago/Zoonar

    Und wenn unsere Zivilisation zusammenbrechen würde? Nicht in einigen Jahrhunderten, sondern noch zu unseren Lebzeiten? Werden von der Menschheit am Ende nur Fossilien übrig bleiben?Foto: Imago/Zoonar

  • ASTEROID: In Science-Fiction-Filmen gehören Asteroiden zum festen Inventar eines  Weltuntergangsszenarios. Dass die Brocken aus dem All das Potenzial haben, eine Spezies zu eliminieren, ist unbestritten. So führen Wissenschaftler das Aussterben der Dinosaurier am Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren auf den Einschlag eines Asteroiden von zehn Kilometer Durchmesser auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán zurück.Foto: Imago/Panthermedia

    ASTEROID: In Science-Fiction-Filmen gehören Asteroiden zum festen Inventar eines Weltuntergangsszenarios. Dass die Brocken aus dem All das Potenzial haben, eine Spezies zu eliminieren, ist unbestritten. So führen Wissenschaftler das Aussterben der Dinosaurier am Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren auf den Einschlag eines Asteroiden von zehn Kilometer Durchmesser auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán zurück.Foto: Imago/Panthermedia

  • Auch wenn kein Steinregen vom Himmel fallen sollte, bleiben Asteroiden eine potenzielle Gefahr. Astronomen gehen davon aus, dass ein solcher Riesenbrocken alle 100 Millionen Jahre die Erde treffen könnte. So unwahrscheinlich ein Mega-Crash in naher Zukunft ist, so realistisch sind kleinere Treffer. Fazit Asteroid: Der Weltuntergangsfaktor liegt im unterem Promillebereich. Für eine Apokalypse kommen Asteroiden bis in eine ferne Zukunft nicht infrage.Foto: Imago/Cover Images

    Auch wenn kein Steinregen vom Himmel fallen sollte, bleiben Asteroiden eine potenzielle Gefahr. Astronomen gehen davon aus, dass ein solcher Riesenbrocken alle 100 Millionen Jahre die Erde treffen könnte. So unwahrscheinlich ein Mega-Crash in naher Zukunft ist, so realistisch sind kleinere Treffer. Fazit Asteroid: Der Weltuntergangsfaktor liegt im unterem Promillebereich. Für eine Apokalypse kommen Asteroiden bis in eine ferne Zukunft nicht infrage.Foto: Imago/Cover Images

  • PANDEMIE: Weltweite Epidemien führen nicht zwangsläufig zum Aussterben der Menschheit wie das Beispiel des Schwarzen Todes zeigt. Die große europäische Pest-Pandemie forderte zwischen 1347 und 1353 schätzungsweise 25 Millionen Todesopfer – ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung. Auslöser war eine Variante des Yersinia pestis, eines Stäbchenbakteriums, das der Erreger der Lungen- und Beulenpest ist. Die Vorstellung, dass die Menschheit durch Influenza, Ebola, die Pocken oder Pest ausgerottet werden könnte, ist ziemlich abwegig. Die Medizin kann dem Heer der Viren und Bakterien heute effiziente Verteidigungsmittel entgegenstellen. Fazit Pandemie: Die Angst vor einer Pandemie ist übertrieben. Das Untergangspotenzial ist beherrschbar – ungeachtet der zahlreichen Toten, die etwa Influenza jedes Jahr fordert.Foto: Imago/Granger Historical Picture Archive

    PANDEMIE: Weltweite Epidemien führen nicht zwangsläufig zum Aussterben der Menschheit wie das Beispiel des Schwarzen Todes zeigt. Die große europäische Pest-Pandemie forderte zwischen 1347 und 1353 schätzungsweise 25 Millionen Todesopfer – ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung. Auslöser war eine Variante des Yersinia pestis, eines Stäbchenbakteriums, das der Erreger der Lungen- und Beulenpest ist. Die Vorstellung, dass die Menschheit durch Influenza, Ebola, die Pocken oder Pest ausgerottet werden könnte, ist ziemlich abwegig. Die Medizin kann dem Heer der Viren und Bakterien heute effiziente Verteidigungsmittel entgegenstellen. Fazit Pandemie: Die Angst vor einer Pandemie ist übertrieben. Das Untergangspotenzial ist beherrschbar – ungeachtet der zahlreichen Toten, die etwa Influenza jedes Jahr fordert.Foto: Imago/Granger Historical Picture Archive

  • ATOMKRIEG: Bis zum Ende des Kalten Krieges in den 1980er Jahren war ein Atomkrieg ein realistisches Weltuntergangsszenario. Im Verlauf des Wettrüstens zwischen den Super- und übrigen Atommächten wurden riesige Nuklearwaffenarsenale angehäuft, die für das Überleben der Menschheit eine akute Bedrohung darstellten. Heute wächst die Gefahr regionaler Konflikte mit der Zahl der Länder, die im Besitz nuklearer Waffen sind und notfalls bereit sind, diese einzusetzen. Seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl und der Katastrophe in Fukushima im März 2011  stellt sich die Frage, ob Atomunfälle Auslöser für den Weltuntergang sein können. Fazit Atomkrieg: Der Weltuntergangsfaktor ist äußerst gering. Selbst bei mehreren gleichzeitig stattfindenden Atomunfällen würde nicht die gesamte Menschheit dem Strahlentod zum Opfer fallen.Foto: dpa

    ATOMKRIEG: Bis zum Ende des Kalten Krieges in den 1980er Jahren war ein Atomkrieg ein realistisches Weltuntergangsszenario. Im Verlauf des Wettrüstens zwischen den Super- und übrigen Atommächten wurden riesige Nuklearwaffenarsenale angehäuft, die für das Überleben der Menschheit eine akute Bedrohung darstellten. Heute wächst die Gefahr regionaler Konflikte mit der Zahl der Länder, die im Besitz nuklearer Waffen sind und notfalls bereit sind, diese einzusetzen. Seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl und der Katastrophe in Fukushima im März 2011 stellt sich die Frage, ob Atomunfälle Auslöser für den Weltuntergang sein können. Fazit Atomkrieg: Der Weltuntergangsfaktor ist äußerst gering. Selbst bei mehreren gleichzeitig stattfindenden Atomunfällen würde nicht die gesamte Menschheit dem Strahlentod zum Opfer fallen.Foto: dpa

  • KLIMAWANDEL: Der Klimawandel liefert viele Schreckensszenarien: Wüstenausbreitung, Hungersnöte, Flüchtlingsströme, Abschmelzen der Pole, Verschiebung der Klimazonen. Bis 2100 soll nach Prognosen des Weltklimarates die Durchschnittstemperatur auf der Erde um bis zu 6,4 Grad steigen. Sollte dieser Trend nicht gestoppt werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Klima in den nächsten Jahrzehnten kippt, sehr hoch. Selbst bei einem engagierten internationalen Vorgehen wären die Folgen des Klimawandels kaum noch vorhersehbar und steuerbar, warnen Experten. Fazit Klimawandel: Der Klimawandel ist Wasser auf die Mühlen der Apokalyptiker. Trotz steigender Temperaturen, überfluteter Inseln und fortschreitender Versteppung wird der Weltuntergang weiter auf sich warten lassen.Foto: dpa

    KLIMAWANDEL: Der Klimawandel liefert viele Schreckensszenarien: Wüstenausbreitung, Hungersnöte, Flüchtlingsströme, Abschmelzen der Pole, Verschiebung der Klimazonen. Bis 2100 soll nach Prognosen des Weltklimarates die Durchschnittstemperatur auf der Erde um bis zu 6,4 Grad steigen. Sollte dieser Trend nicht gestoppt werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Klima in den nächsten Jahrzehnten kippt, sehr hoch. Selbst bei einem engagierten internationalen Vorgehen wären die Folgen des Klimawandels kaum noch vorhersehbar und steuerbar, warnen Experten. Fazit Klimawandel: Der Klimawandel ist Wasser auf die Mühlen der Apokalyptiker. Trotz steigender Temperaturen, überfluteter Inseln und fortschreitender Versteppung wird der Weltuntergang weiter auf sich warten lassen.Foto: dpa

  • SUPERVULKAN: Unter dem knapp 9000 Quadratkilometer großen Yellowstone-Nationalpark im US-Bundesstaat Wyoming schlummert eine gigantische Zeitbombe. Ein Supervulkan. In den vergangenen zwei Millionen Jahren gab es neben zahlreichen kleineren Ausbrüchen drei Mega-Eruptionen, die letzte vor rund 640 000 Jahren. Ein derartiges Inferno könnte die menschliche Zivilisation in eine Katastrophe stürzen. Ascheregen und Lava-Lawinen unvorstellbaren Ausmaßes würden die gesamte Infrastruktur Nordamerikas lahmlegen und weltweit zum vulkanischen Winter führen. Die Folgen wären eine dramatische Abkühlung des Klimas, ein Massensterben von Pflanzen und Tieren sowie eine globale Hungersnot. Weltweit gibt es rund 18 Supervulkane mit einer Magmakammer, die mehr als 1000 Kubikkilometer Asche und Lava in die Atmosphäre schleudern kann. Der letzte Ausbruch ereignete sich im Gebiet des neuseeländischen Tauposees vor 23 000 Jahren. Fazit Supervulkan: Der Untergangsfaktor ist gering. Dass ein Supervulkan in die Luft fliegen wird, ist unstrittig. Dies wird aber nicht in den nächsten Jahrzehnten geschehen, sondern in geologisch naher Zukunft – innerhalb der nächsten Jahrtausende. Fürs Erste kann die Menschheit also aufatmen.Foto: dpa

    SUPERVULKAN: Unter dem knapp 9000 Quadratkilometer großen Yellowstone-Nationalpark im US-Bundesstaat Wyoming schlummert eine gigantische Zeitbombe. Ein Supervulkan. In den vergangenen zwei Millionen Jahren gab es neben zahlreichen kleineren Ausbrüchen drei Mega-Eruptionen, die letzte vor rund 640 000 Jahren. Ein derartiges Inferno könnte die menschliche Zivilisation in eine Katastrophe stürzen. Ascheregen und Lava-Lawinen unvorstellbaren Ausmaßes würden die gesamte Infrastruktur Nordamerikas lahmlegen und weltweit zum vulkanischen Winter führen. Die Folgen wären eine dramatische Abkühlung des Klimas, ein Massensterben von Pflanzen und Tieren sowie eine globale Hungersnot. Weltweit gibt es rund 18 Supervulkane mit einer Magmakammer, die mehr als 1000 Kubikkilometer Asche und Lava in die Atmosphäre schleudern kann. Der letzte Ausbruch ereignete sich im Gebiet des neuseeländischen Tauposees vor 23 000 Jahren. Fazit Supervulkan: Der Untergangsfaktor ist gering. Dass ein Supervulkan in die Luft fliegen wird, ist unstrittig. Dies wird aber nicht in den nächsten Jahrzehnten geschehen, sondern in geologisch naher Zukunft – innerhalb der nächsten Jahrtausende. Fürs Erste kann die Menschheit also aufatmen.Foto: dpa

  • SONNENINFERNO: Auch Planeten und Sternen ist ein Ende beschieden, wenngleich ihr Ableben ungleich dramatischer abläuft als beim Menschen. Auch die Sonne wird in einigen Milliarden Jahren ihre Brennstoffvorräte komplett aufgezehrt haben und sich zu einem Feuerball aufblähen, der das 256-fache des heutigen Radius von 1,4 Millionen Kilometern ausmacht. Sie wird zum Roten Riesen, einem Himmelskörper von gigantischen unvorstellbaren Ausmaßen und extrem hoher Temperatur, der Venus, Merkur und am Ende die Erde vernichtet. Nach Berechnungen von Astronomen soll dieser Rote Riese in 7,6 Milliarden Jahren zu einem Weißen Zwerg mutieren – den Überresten ausgebrannter Sterne. Die Menschheit wird davon nichts mehr mitbekommen. In spätestens einer Milliarde Jahre wird die Erde zum Lavaplaneten, auf dem nur noch wenige  Mikroorganismen überleben. Fazit Sonneninferno: Angesichts der zeitlichen Dimensionen ist der solare Crash reines Science-Fiction-Theater. Sollten sich zukünftige Geschlechter nicht rechtzeitig mit Raumschiffen in Sicherheit bringen, wird die Menschheit das Sonneninferno nicht überleben. Bis dahin hat sie noch genügend Zeit, um sich durch Kriege, Seuchen und Umweltzerstörung das eigene Grab zu schaufeln.Foto: dpa

    SONNENINFERNO: Auch Planeten und Sternen ist ein Ende beschieden, wenngleich ihr Ableben ungleich dramatischer abläuft als beim Menschen. Auch die Sonne wird in einigen Milliarden Jahren ihre Brennstoffvorräte komplett aufgezehrt haben und sich zu einem Feuerball aufblähen, der das 256-fache des heutigen Radius von 1,4 Millionen Kilometern ausmacht. Sie wird zum Roten Riesen, einem Himmelskörper von gigantischen unvorstellbaren Ausmaßen und extrem hoher Temperatur, der Venus, Merkur und am Ende die Erde vernichtet. Nach Berechnungen von Astronomen soll dieser Rote Riese in 7,6 Milliarden Jahren zu einem Weißen Zwerg mutieren – den Überresten ausgebrannter Sterne. Die Menschheit wird davon nichts mehr mitbekommen. In spätestens einer Milliarde Jahre wird die Erde zum Lavaplaneten, auf dem nur noch wenige Mikroorganismen überleben. Fazit Sonneninferno: Angesichts der zeitlichen Dimensionen ist der solare Crash reines Science-Fiction-Theater. Sollten sich zukünftige Geschlechter nicht rechtzeitig mit Raumschiffen in Sicherheit bringen, wird die Menschheit das Sonneninferno nicht überleben. Bis dahin hat sie noch genügend Zeit, um sich durch Kriege, Seuchen und Umweltzerstörung das eigene Grab zu schaufeln.Foto: dpa

  • GAMMABLITZ: Im Universum braut sich etwas Bedrohliches zusammen: Gammablitze (englisch: Gamma-ray burst) zucken durch die Unendlichkeit. Diese Blitze sind gewaltige interstellare Energieausbrüche, von denen unvorstellbar große Mengen elektromagnetischer Strahlung ausgehen.  1967 wurde ein solcher Gammablitz von einem amerikanischen Spionagesatelliten erstmals beobachtet. Dass die Strahlen aus den Tiefen des Weltalls kamen, stellten Wissenschaftler des Los Alamos National Laboratory in New Mexico 1973 fest. Was hat dieses kosmische Phänomen mit der Erde zu tun? Die Energie eines Gammablitzes reicht aus, um Planeten noch über eine Entfernung von Tausenden von Lichtjahren regelrecht zu grillen. Der Blaue Planet ist zum Glück außer Gefahr. Bisher traten Gammablitze nach Erkenntnissen von Astronomen weit entfernt von unserem Sonnensystem auf. Fazit Gammablitz: Selbst wenn die Erde in ferner Zukunft in ein Gammagewitter geraten sollte, müsste das nicht zwangsläufig das Ende allen Lebens bedeuten. Diese Gefahr aus dem All taugt allenfalls für Science-Fiction-Thriller, nicht aber als Argument für einen sich in den nächsten Jahrhunderten ereignenden Weltuntergang.Foto: dpa

    GAMMABLITZ: Im Universum braut sich etwas Bedrohliches zusammen: Gammablitze (englisch: Gamma-ray burst) zucken durch die Unendlichkeit. Diese Blitze sind gewaltige interstellare Energieausbrüche, von denen unvorstellbar große Mengen elektromagnetischer Strahlung ausgehen. 1967 wurde ein solcher Gammablitz von einem amerikanischen Spionagesatelliten erstmals beobachtet. Dass die Strahlen aus den Tiefen des Weltalls kamen, stellten Wissenschaftler des Los Alamos National Laboratory in New Mexico 1973 fest. Was hat dieses kosmische Phänomen mit der Erde zu tun? Die Energie eines Gammablitzes reicht aus, um Planeten noch über eine Entfernung von Tausenden von Lichtjahren regelrecht zu grillen. Der Blaue Planet ist zum Glück außer Gefahr. Bisher traten Gammablitze nach Erkenntnissen von Astronomen weit entfernt von unserem Sonnensystem auf. Fazit Gammablitz: Selbst wenn die Erde in ferner Zukunft in ein Gammagewitter geraten sollte, müsste das nicht zwangsläufig das Ende allen Lebens bedeuten. Diese Gefahr aus dem All taugt allenfalls für Science-Fiction-Thriller, nicht aber als Argument für einen sich in den nächsten Jahrhunderten ereignenden Weltuntergang.Foto: dpa

Das Ende der Zivilisation wird alle zwei Wochen diskutiert – online im „Klima-Kollaps Café“. „Die Geschwindigkeit, in der die Zerstörung der belebten Natur und der Lebensräume voranschreitet, lässt keinen anderen Schluss zu. Das ist einfach logisch, das ist zwangsläufig“, sagt Sibylle Eimermann-Gentil, die sich regelmäßig an den Online-Treffen beteiligt.

Naht das Ende der menschlichen Zivilisation?

Sibylle Eimermann-Gentil ist Teil der Kollapsologie-Bewegung, einer Denkströmung, die besonders durch den französischen Agrarwissenschaftler Pablo Servigne Bekanntheit erlangte. Gemeinsam mit dem Öko-Berater Raphaël Stevens schrieb er das Buch „Wie alles zusammenbrechen kann“.

Servigne geht fest davon aus, dass die Anstrengungen zur Bekämpfung der Klimakrise scheitern, das Ökosystem kollabiert und die menschliche Zivilisation endet.

Auch die Kollapsologie-Anhänger in Deutschland prognostizieren, dass sich menschliche Lebensgrundlagen durch ökologische Krisen weltweit dramatisch verschlechtern werden. Er gehe von viel Leid und vielen Toten aus, betont der Gründer des „Klima-Kollaps Cafés“, Norbert Prinz. „Der Zivilisationskollaps ist das wahrscheinlichste Szenario. Es gibt doch keinen Hinweis darauf, dass wir wirklich irgendwas ändern“.

Überleben nur in Kleingruppen

Das Online-Café soll Gleichgesinnten einen Raum zum Austausch bieten. Die Teilnehmer sprechen über ihre Gefühle, mögliche Vorbereitung auf den Kollaps und das Leben danach.

Dass die Menschheit gänzlich ausstirbt, glauben die Anhänger nicht. Nach ihrer Vorstellung führen zusammengebrochene Lieferketten, Öko- und Wirtschaftssysteme dazu, dass sich die restlichen Überlebenden in Kleingruppen durchschlagen müssen.

Wissenschaft oder Intuition?

Zwar berufen sich die „Kollapsologen“ auf die Wissenschaft, zitieren Berichte des Weltklimarats und geben sich wohl auch bewusst einen wissenschaftlich klingenden Namen. Die Vertreter in Deutschland behaupten aber nicht, ihre Prognosen wissenschaftlich belegen zu können. „Das Thema ist so komplex, dass es wissenschaftlich gar nicht erforscht werden kann und wir uns wieder auf die Intuition verlassen sollten“, betont Prinz.

Studien zu einem so alles umfassenden Thema wie dem Zusammenbruch der menschlichen Gesellschaft finden sich kaum. Jobst Heitzig, Mathematiker am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, verwundert das nicht. „Prinzipiell lässt sich nicht seriös sagen, wie wahrscheinlich ein Zivilisationszusammenbruch ist. Man kann aber Szenarien entwickeln, wie es ablaufen könnte.“

Mit Kollegen versucht Heitzig Modelle zu erarbeiten, die komplexe und große Zusammenhänge in unserer Gesellschaft erklären können. „Fridays for Future hat die Politik beeinflusst und das Konsumentenverhalten hat einen Einfluss auf das Klima. Wir versuchen solche Zusammenhänge seriös abzubilden“, erklärt Heitzig. Es gehe darum, Wechselwirkungen zu verstehen, nicht Vorhersagen zu machen.

Gibt es Hinweise auf einen globalen Zusammenbruch?

Unweigerlich stoße man dabei auf die Frage nach einem möglichen Kollaps. „Bei der momentanen Zivilisation stellen wir fest, dass es einen sehr, sehr hohen Grad an internationaler Abhängigkeit im Wirtschaftssystem gibt“, berichtet Heitzig. Solche Abhängigkeiten machten Gesellschaften weniger resilient. „Da könnte es Dominoeffekte geben, die vergleichbar mit einem Multiorganversagen beim Menschen sind“.

So pessimistisch wie die „Kollapsologen“ ist Heitzig aber nicht. „Ich würde zustimmen, dass es einige Hinweise darauf gibt, dass die Zivilisation zusammenbrechen kann, zum Beispiel durch einen global eskalierenden Gewaltkonflikt oder eine schwere globale Wirtschaftskrise“, sagt er.

Beides könne durch Folgen des Klimawandels begünstigt werden. „Aber es gibt eben keine klaren Hinweise darauf, dass das wirklich passieren wird oder wie wahrscheinlich es ist.“

Auch zeitlich sei aus wissenschaftlicher Sicht keine seriöse Einschätzung möglich. „Wenn man im Nebel auf einen Abgrund zufährt und nicht weiß, wie weit er entfernt ist, wäre ein vernünftiger Rat: ‚Tretet auf die Bremse‘“, so der Forscher. „Wir können den Klimawandel ja bekämpfen und wir können unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem resilienter machen“.

Das Schlimmste kommt erst noch

Dafür sei es zu spät, finden die „Kollapsologen“. Der Zusammenbruch gehe vielleicht in ein paar Jahren los oder sei bereits unbemerkt im Gange. Die Teilnehmenden sagen, sie seien „hoffnungsfrei“. Sie möchten sich emotional lieber auf das Schlimmste vorbereiten. Prinz ärgert sich sogar über Interviews, in denen Klimawissenschaftler gefragt werden, ob es noch Hoffnung gibt.

Für die Psychoanalytikerin Delaram Habibi-Kohlen, Gründerin der Arbeitsgruppe Klima in der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie (DGPT), ist die Frage nach Hoffnung nur menschlich. Sie beschäftigt sich seit 2010 mit dem psychologischen Aspekt der Klimakrise und ist außerdem bei den „Psychologists for Future“ aktiv.

Hoffnung vs Alarmismus

„Ohne Hoffnung können wir nicht leben“, meint sie. Die Frage sei, worauf die Menschen hoffen könnten. „Dass wir weiterleben können wie bisher, ist illusorisch.“ Ein lebenswertes Leben mit vielen Anpassungen und auch Verzicht führen zu können, sei dagegen nicht unrealistisch.

Es sei wichtig, die Gefahr durch ökologische Krisen deutlich zu machen und gleichzeitig weiter darüber nachzudenken, was man tun wolle, sagt Habibi-Kohlen. Sie warnt vor zu viel Alarmismus: „Das eröffnet bei Menschen so wenig Spielraum für die Vorstellungskraft. Dann sagt doch jeder: „Ja, was soll ich da machen?“

Aktivismus trotz Aussichtslosigkeit

Von Resignation sei aber im „Klima-Kollaps-Café“ keine Spur, behauptet Gründer Prinz. Es löse in der Gruppe kein Fatalismus aus, zu wissen, dass es nichts mehr zu retten gebe. „Gerade dann, wenn nichts mehr zu erreichen ist, ist es notwendig noch mal für alles zu kämpfen“, unterstreicht der 45-Jährige.

Die meisten Teilnehmer der Gruppe kommen demnach aus dem Klimaaktivismus, manche haben bei der Letzten Generation mitgewirkt. In irgendeiner Form seien alle Teilnehmenden auch jetzt noch aktiv, so Prinz.

Info: Mismatch-Theorie

Menschheit in der Sackgasse
Die Menschheit läuft Gefahr, sich selbst in ihrer Entwicklung in Sackgassen zu manövrieren, aus der es kaum noch ein Entrinnen gibt. Insgesamt 14 solcher Evolutionärer Fallen haben schwedische Forscher in einer neuen Studie ausgemacht. Darunter sind Klima-Kipppunkte und Umweltverschmutzung genauso wie eine falsch ausgerichtete künstliche Intelligenz und die Beschleunigung von Infektionskrankheiten. Wenn sich Merkmale, die für die Evolution einer Gattung einst vorteilhaft waren, sich aufgrund von Umweltveränderungen plötzlich nachteilig auswirken, spricht man von einer Evolutionären Falle oder Evolutionären Diskrepanz. Dieses evolutionsbiologische Konzept wird auch als Mismatch-Theorie bezeichnet.

Anthropozän
Das Forscherteam um den Umweltökologen Peter Søgaard Jørgensen sieht solche evolutionäre Fallen auch für die Menschheit gegeben. Insgesamt sei ihre soziokulturelle und zivilisatorische Evolution eine „außergewöhnliche Erfolgsgeschichte“, deren Ergebnis das Anthropozän darstelle – also das Erdzeitalter des Menschen –, wie es in der Untersuchung heißt. Doch das Anthropozän zeige Risse: Globale Krisen wie Covid-19-Pandemie, Klimawandel, Ernährungsunsicherheit, Finanzkrisen und Konflikte hätten begonnen, gleichzeitig aufzutreten. Dieses Phänomen wird auch als Polykrise bezeichnet.Die Studie ist im Fachmagazin „Philosophical Transactions of the Royal Society B“ erschienen.

Diskrepanz
Der Begriff Evolutionäre Falle oder Evolutionäre Diskrepanz wird in der Evolutionsbiologie auch als Mismatch-Theorie bezeichnet. Damit ist Folgendes gemeint: Merkmale, die sich in der Evolution herausgebildet und für die Entwicklung einer Spezies als vorteilhaft erwiesen haben, können sich aufgrund von veränderten und zu schnell sich wandelnden Umweltbedingungen als negativ herausstellen und den Entwicklungsprozess der Gattung behindern - und im Extremfall beenden. Dies kann beim Mensch und bei Tieren stattfinden und wird oft auf schnelle Umweltveränderungen zurückgeführt. Die Mismatch-Theorie beschäftigt sich folglich mit der Idee, dass Merkmale, die sich in einem Organismus in einer bestimmten Umwelt entwickelt haben, in einer anderen Umgebung nachteilig sein können.

„Acht Todsünden“
Einer der Hauptvertreter dieser Theorie ist der österreichische Zoologe und Medizin-Nobelpreisträger von 1973, Konrad Lorenz (1903-1989). In seinem Buch „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ aus dem Jahr 1973 untersucht der Verhaltensbiologe jene Vorgänge, die nach seiner Ansicht zur „Dehumanisierung der Menschheit“ beitragen. Diese acht Prozesse sind: (1) Überbevölkerung, (2) Verwüstung des natürlichen Lebensraums, (3) übermäßige Beschleunigung aller gesellschaftlichen Prozesse, (4) Drang zu sofortiger Befriedigung aller Bedürfnisse (Hedonismus), (5) genetischer Verfall wegen des Wegfalls der natürlichen Auslese, (6) Verlust bewährter Traditionen, (7) zunehmende Indoktrinierbarkeit, (8) Kernwaffen.

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