Stuttgart

Leitartikel: Höchste Zeit für Veränderungen

Trotz des Verbleibs in der Fußball-Bundesliga braucht der VfB einen neuen Sportvorstand.

Beim VfB Stuttgart herrscht eine Riesenerleichterung. Der Traditionsverein von 1893 bleibt in der Fußball-Bundesliga. Doch die Rettung über die Relegation sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass den Club beinahe so viele Probleme begleiten, wie die Ziffern des Gründungsjahres angeben. Nur in einer Disziplin ist der VfB Spitze: im Schönreden. Nachhaltiger Erfolg stellt sich so jedoch nicht ein.

Das liegt zum einen an den Leistungen der Spieler. Labil waren diese über den Saisonverlauf. Zum anderen liegt es abseits des Platzes aber auch daran, dass das Clubhaus mit dem roten Dach voller Egoismen steckt. Gerne erzählen die Vereinsgranden in ihren Reden, dass niemand größer als der VfB sei. Die gleichen Herren wollen dem Verein auch immer dienen. Aber die Realität ist eine andere: Der VfB dient zu vielen Funktionären mit ihren Einzelinteressen.

Mit jeder Niederlage ist der Blick für das große Ganze weiter verloren gegangen. Unter diesem Druck haben es der AG-Vorstandschef Alexander Wehrle und der Vereinspräsident Claus Vogt erst spät geschafft, die Reihen zu schließen. Dennoch gleicht das VfB-Konstrukt einem Kartenhaus: sportlich unberechenbar, wirtschaftlich angespannt und vereinspolitisch zerrissen. Einsturzgefahr herrscht weiterhin.

Nun wird der Stürmer Serhou Guirassy sicher nicht mehr Tore erzielen, wenn Wehrle ein besseres Gespür für Entscheidungen erkennen lässt und Vogt mehr Profil zeigt, doch ein Verein ist mehr als die Ansammlung seiner Profis. Es braucht eine übergreifende Idee, wohin der Weg führen soll. Zuletzt demonstrierten die Verantwortlichen jedoch immer nur an einem Punkt Einigkeit: Wenn es darum ging, die Verantwortung für die Misere auf Sven Mislintat abzuladen.

Der ehemalige Sportdirektor wird intern gerne als der Hauptschuldige genannt. Schließlich hat er den Kader konstruiert. Es gibt auch gute Gründe, Mislintats Arbeit zu kritisieren. Sein Geschäftsmodell basierte darauf, Talente zu verpflichten und auf Marktwertsteigerungen zu setzen. Eine Wette auf die Zukunft, die nur zum Teil aufgegangen ist.

Dazu kam das Kompetenzgerangel. Mislintat, einst der starke Mann beim VfB, wurde demontiert. Zu groß erschien er so manchem in der Führungsriege – und sein Schatten ist noch immer lang, weil er zumindest über ein Konzept verfügte. Und dieses radikal bis zu seinem Abgang umsetzte. Womöglich hätten ein paar Justierungen geholfen. Das ist eine Frage der strategischen Ausrichtung und Kontrolle – und damit eine Sache des Sportvorstands. Diesen Posten besetzt in Personalunion Alexander Wehrle. Der AG-Boss mag dabei viele Stärken aufweisen, die Doppelfunktion überfordert ihn jedoch schon rein zeitlich. Trotz der prominenten Berater, die er sich dazu geholt hat. Vielleicht auch wegen ihnen. Denn so genau weiß keiner, was Sami Khedira und Philipp Lahm eigentlich machen.

Doch das Modell erscheint bereits überholt, da es Khedira in die sportliche Leitung des Deutschen Fußball-Bundes zieht. Weg vom VfB, weil der Weltmeister erkannt hat, dass es bei seinem Herzensverein mit ein paar Ratschlägen nicht getan ist. Es braucht mehr Tatkraft und Durchhaltevermögen für Veränderungen – und weniger Wankelmütigkeit und Scheu vor Verantwortung.

Beim VfB ist es höchste Zeit für einen neuen Sportvorstand. Zuvorderst jemanden, der eine fußballerische Identität schafft und für Kontinuität sorgt, um zu alter Stärke zurückzufinden. Doch Vorsicht. In Fabian Wohlgemuth gibt es schon einen zupackenden Sportdirektor, der mit dem Trainer Sebastian Hoeneß harmoniert. Da könnte der nächste Machtkampf programmiert sein.

Datenschutz-Einstellungen