Stuttgart

Die Ahnen werden heimgeholt

In einer feierlichen Zeremonie im Linden-Museum hat das Land die Überreste von fünf Menschen an die Maori und Moriori zurückgegeben.

Stuttgart - Für die Heimholung ihrer Ahnen wäre der Delegation der Maori-Community, die aus Aotearoa Neuseeland nach Stuttgart kam, wohl kein Weg zu weit gewesen: In einer feierlichen Zeremonie im Linden-Museum hat Baden-Württemberg die im 19. Jahrhundert gestohlenen oder sogar gewaltsam entwendeten sterblichen Überreste von namenlosen Vorfahren – Tupuna – der Maori und Moriori aus dem Staatlichen Museum für Naturkunde und dem Linden-Museum zurückgegeben. Das Land folgte damit in Übereinstimmung mit Stuttgart einer entsprechenden Bitte des Nationalmuseums Te Papa Tongarewa im Herbst 2022.

„Mit dieser Rückgabe kommen wir unserer historischen Verantwortung nach“, betonte Petra Olschowski, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Es bedeute ihr persönlich viel, dass zum zweiten Mal menschliche Überreste auf den Weg zur letzten Ruhe in ihrem Herkunftsland gebracht werden können. Denn am 5. April hat das Land 19 iwi kupuna (Vorfahren), menschliche Überreste indigener Hawaiianerinnen und Hawaiianer, an die Gruppe Hui Iwi Kuamo’o und Vertreter des Office of Hawaiian Affairs in den USA zurückgegeben. „Es gibt keine Entschuldigung für dieses Verbrechen im Namen der Wissenschaft“, bat die Ministerin um Verzeihung. „Endlich können wir unsere Ahnen dorthin zurückbringen, wo sie hingehören“, dankte Te Herekiekie Haerehuka Herewini vom Nationalmuseum.

Es war ein bewegendes Ereignis, getragen von rituellen Elementen mit Gebeten und Gesängen in Maori. Fünf Kartons, in würdevoller Prozession von den Maori-Gästen in den Saal getragen, bargen die Überreste von fünf Menschen: drei Schädel, ein mumifiziertes Haupt (toi moko) und ein zeremonielles Essbesteck (bone purau) aus einem menschlichen Radialknochen. Die Provenienz ist geklärt: Das mumifizierte Haupt kam über einen Baron von Ludwig 1837 in die Naturaliensammlung, die ihn 1921 dem Linden-Museum vermachte. Das Essbesteck gelangte über einen Austausch mit Serge Brignoni 1956 in das Linden-Museum. Und die drei Schädel wurden von Julius von Haast und von Charles Benjamin Knorpp nach Europa gebracht und landeten 1885 und 1876 im Naturkundemuseum. Von der „fehlgeleiteten Sammelwut des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit inhumanen rassistisch motivierten Forschungen und Vermessungen“ sprach dessen Direktor Lars Krogmann und versichert: „Das Denken in den Museen hat sich entscheidend geändert.“ Endlich könnten die Fehler der Vergangenheit korrigiert werden.

Einen „weiteren wichtigen Schritt in der Aufarbeitung kolonialen Unrechts“ nannte Inés de Castro, Direktorin des Linden-Museums, die Repatriierung nach Neuseeland. Das Museum pflege zu Maori-Kolleginnen und -Kollegen vielfältige Beziehungen. Für Craig J. Hawke, den Botschafter Neuseelands, der die Delegation begleitete, ist die Rückführung anlässlich des 70-jährigen Bestehens der diplomatischen Beziehungen zwischen Aotearoa Neuseeland und Deutschland ein „Beweis für die reife und enge Beziehung“.

„Die Überreste von Ahnen haben trotz der langen Abwesenheit die kulturelle Verbindung behalten“, betonte Te Herekiekie Haerehuka Herewini, der im Nationalmuseum das Karanga-Aotearoa-Repatriierungsprogramm leitet. „Schlaft gut, meine Vorfahren“, gab er der kostbaren Fracht mit auf den Weg, ehe er mit Ministerin Olschowski und Bürgermeisterin Alexandra Sußmann die Übergabedokumente signierte – und dann beiden Damen den typischen Maori-Gruß bot: Stirn an Stirn, Nase an Nase.

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