Stuttgart

Leitartikel: Genug mit Zoffen, Zetern und Zaudern

Die Regierung ist unbeliebter denn je. Der Grund: Die Ampelparteien arbeiten längst nicht mehr miteinander.

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Berlin - Von Umfragen darf man sich nicht treiben lassen. Das antworten Politikerinnen und Politiker gern, wenn man sie nach schlechten Werten fragt. Das mag stimmen. Wahr ist aber auch: Wenn sich über Wochen ein bedenklicher Trend abzeichnet, darf man das nicht ignorieren. So wie jetzt. Die Ampel ist unbeliebter denn je. Und das wird sich nicht ändern, wenn sie einfach so weitermacht.

Die Umfragewerte, die viele zusammenzucken lassen, stammen aus dem aktuellen „Deutschlandtrend“. Sie fügen sich in eine Entwicklung ein, die sich seit Wochen erkennen lässt: Die Ampelkoalition wird zunehmend unbeliebter – während die AfD gewinnt. Laut den aktuellen Zahlen sind nur noch 20 Prozent der Deutschen mit der Regierung zufrieden. Und wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die AfD auf 18 Prozent der Stimmen – genauso viel wie die derzeitige Kanzlerpartei SPD, drei Punkte mehr als die Grünen.

Das muss den Regierungsparteien zu denken geben. Und zwar allen dreien. Eine der größten Schwierigkeiten der Koalition ist aktuell, dass jede Partei nur auf sich schaut. Die Ampelregierung hat sich im Zoffen, Zetern und Zaudern verloren, während die großen Fragen ungelöst herumliegen. Der einzige Weg, der die Koalition aus ihrer Krise führen kann, wäre es, gemeinsam zu arbeiten – statt gegeneinander. Streit gehört in jeder Regierung dazu. Aber im besten Fall geht es dabei um Inhalte. Doch dem war nicht immer so – wie die Posse ums Heizungsgesetz zeigt. Das ist ein Vorhaben, das – so bestätigt es der Deutschlandtrend – viele Menschen verunsichert. Zwei Drittel der Befragten gaben an, sich wegen der geplanten Maßnahmen vor finanzieller Überforderung zu fürchten.

Statt an Lösungen gegen diese Sorge zu arbeiten, stellte die FDP das ganze Projekt infrage – was nicht unbedingt beruhigend wirkte. Die Partei reichte zuletzt einen Katalog von 77 Nach-, Sach- und Detailfragen zu dem Gesetz beim Wirtschaftsministerium ein. Seit Freitag liegen die Antworten vor, in aller Breite und Ausführlichkeit, auf 45 Seiten, inklusive Grafiken und Anhängen. Und trotzdem schien es nicht um die Sache zu gehen. Der Fragenkatalog diente nie dazu, einen Kompromiss in der Sache zu finden, sondern war ein Versuch der FDP, sich mit ihrer Skepsis zu profilieren.

Und während sich Grüne und FDP bekriegen, tut Kanzler Olaf Scholz (SPD), als hätte er mit dieser Sache nichts zu tun. Führung sieht anders aus. Davon profitiert die AfD. Von denjenigen, die die Partei laut der Umfrage aktuell wählen würden, sind zwei Drittel Protestwählerinnen und -wähler. Sie gaben an, der AfD Partei nicht aus Überzeugung ihre Stimme geben zu wollen, sondern aus Enttäuschung. Als Grund nannten besonders viele ein Thema: „Zuwanderung/Migrationspolitik“.

Doch gerade bei diesem Thema haben viele Menschen nicht das Gefühl, dass sich die Regierung ernsthaft damit beschäftigt. Zwar arbeitet die Innenministerin auf europäischer Ebene an einer asylpolitischen Reform. Aber das ändert nichts an der aktuellen Situation in den Kommunen. Die hatten beim letzten Flüchtlingsgipfel auf eine Lösung gehofft, auf dauerhafte finanzielle Unterstützung. Die will man ihnen in Berlin nicht geben, solange man sich nicht grob über den Haushalt geeinigt hat. Noch ein Thema, in dem die Regierung sich verhakte.

Für die Ampelkoalition wäre jetzt der Moment, wieder ins Arbeiten zu kommen. Eine ganze Reihe von Entwürfen soll noch vor der Sommerpause das Kabinett passieren – was noch klappen könnte, wenn sich alle mal zusammenreißen. Was dabei helfen könnte: regieren statt blockieren. Könnte doch ein neues Motto für die Ampel sein.

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