München - Harry Kane war nach dem „schmerzhaften“ Härtetest etwas angeschlagen, doch von einem Kater nach dem Wiesn-Hit war auch beim Münchner Superstar nichts zu spüren. Alles „okay“, verkündete der verhinderte Torjäger – und das galt für seinen dick bandagierten rechten Fuß ebenso wie für die Stimmungslage beider Gipfel-Rivalen. Nach dem wenig berauschenden 1:1 (1:1) im Bundesliga-Schlager fühlten sich der FC Bayern und Bayer Leverkusen als moralischer Sieger.
„Wenn man mit der Mannschaft gerade gesprochen hat – da waren alle zufrieden“, verkündete der Münchner Vorstandschef Jan-Christian Dreesen lächelnd nach seinem Kabinenbesuch. Coach Vincent Kompany gingen die Lobeshymnen von Meistertrainer Xabi Alonso runter wie eine frisch gezapfte Mass. Und auch Max Eberl war nach dem an Spektakel armen Topspiel samt „Friedensgipfel“ mit seinem Leverkusener Kontrahenten Fernando Carro mit sich und der Bayern-Welt im Reinen.
„Wir haben ein Ausrufezeichen gesetzt in der Art und Weise, wie wir Fußball gespielt haben“, sagte der Sportvorstand Eberl und schwärmte: „So eine Dominanz – das ist ein ganz, ganz großer Schritt.“ Tatsächlich hatten es die überlegenen Bayern geschafft, nur drei Leverkusener Torschüsse zuzulassen, so wenige wie kein Team zuvor in 98 Pflichtspielen unter Alonso.
„Die Energie und der Glaube bei Bayern sind anders als in der vergangenen Saison, das kann man spüren“, sagte der Spanier Alonso anerkennend, „sie geben Vollgas mit und gegen den Ball.“ Für seine Doublegewinner sei es deshalb „sehr hart“ gewesen. Allein: Vor dem Tor war es vorbei mit all der Bayern-Herrlichkeit. Mittelstürmer Kane, von Amine Adli rüde gefoult, blieb erstmals in seiner Zeit beim Rekordmeister ohne einen einzigen Abschluss.
Dennoch verbuchten die Münchner mehr als positive Ansätze: „Dominanz, Positionierung, Selbstverständnis, Aggressivität“ – Kapitän Manuel Neuer sah sich sogar an die „Anfangsphase“ unter dem Sextuple-Trainer Hansi Flick erinnert. Tatsächlich spielte sich in der Allianz-Arena Erstaunliches ab: Leverkusen, etwas verunsichert von den großen defensiven Problemen beim Saisonstart, sah sich zu einem überraschend destruktiven Ansatz gezwungen, um die Münchner Torlawine zu stoppen.
Das gelang, mehr als der Ausgleich per Traumtor von Aleksandar Pavlovic (39.) wollte dem Rekordmeister nach dem 0:1-Rückstand durch Robert Andrich (31.) aber nicht mehr gelingen und somit auch nicht der erhoffte Sieg, der den Vorsprung des Tabellenführers auf den Rivalen auf sechs Punkte hätte anwachsen lassen.
Da konnte sich Jamal Musiala im erstaunlich magiefreien Duell der Zauberfüße mit Florian Wirtz noch so mühen. Musiala gelang etwas mehr als seinem DFB-Kumpel – Wirtz, von Alonso zum Abwehrmonsterchen umgeschult, verging nach Ansicht von Sky-Experte Lothar Matthäus schnell „die Lust“ am Verhinderungsfußball.
Auch deshalb durfte der neue Trainer Vincent Kompany zufrieden bilanzieren, seine Elf habe „viel richtig gemacht“. Sollte seine Mannschaft diesen Stil beibehalten, „können wir noch viele Spiele gewinnen“, prophezeite er.
Am Mittwoch wird er bei der Rückkehr auf die Insel in der Champions League beim einstigen Bayern-Schreck Aston Villa auf die Probe gestellt: danach warten bei Eintracht Frankfurt, gegen den VfB Stuttgart und beim Wiedersehen mit Flick in Barcelona weitere starke Gegner. Neuer aber ist nicht bange – dank Kompany.
Der Trainer, betonte der Kapitän, habe den nach der vergangenen Chaos-Saison den verunsicherten Bayern-Stars das „Vertrauen“ in die eigene Stärke zurückgegeben; das zeige sich zum Beispiel im mutigen Eins-gegen-eins-Verteidigen in der letzten Linie. „Das ist ein bisschen was anderes als zuvor. Diese Sicherheit, die er uns gibt, jedem Einzelnen, die merkt man dann als Team auf dem Platz.“ Und so hieß der größte Sieger dieses Unentschiedens womöglich Vincent Kompany.