Stuttgart - Der Hinweis kam am vergangenen Sonntag noch einmal von dort, wo Forderungen an die Vereinsspitze meist artikuliert werden: aus der Cannstatter Kurve. Beim Heimspiel des VfB Stuttgart gegen Borussia Dortmund (5:1) mischte sich in den Jubel über das Ergebnis und die Unmutsbekundungen gegenüber dem Ex-Kapitän Waldemar Anton (nun beim BVB) auch ein vereinspolitisches Thema. Die Fans aus der Kurve forderten zum wiederholten Male: Der Chefposten im Aufsichtsrat der VfB AG soll wieder an einen Vertreter des Vereinspräsidiums gehen.
Seit Freitagmittag ist klar: Ein weiteres Plakat zu diesem Thema können sich die Anhänger sparen.
In seiner Sitzung am Freitagvormittag hat das Kontrollgremium der VfB AG einen erneuten Wechsel an seiner Spitze beschlossen. Im Frühjahr dieses Jahres hatte Tanja Gönner den Chefposten von Claus Vogt übernommen, der innerhalb des Aufsichtsrats das Vertrauen verloren hatte. Der damals noch amtierende Vereinspräsident ist mittlerweile abgewählt, interimsweise ist Dietmar Allgaier sein Nachfolger – der nun von Gönner den Aufsichtsratsvorsitz in der VfB AG übernimmt. Die frühere Landesministerin bleibt Mitglied des Gremiums – was sie zuvor auch schon gewesen ist. Erster Stellvertreter ist Peter Schymon, weiterer Vize Lutz Meschke.
Zahlreiche Gespräche hat Dietmar Allgaier in den vergangenen Wochen seit seinem Amtsantritt geführt, um für diesen erneuten Wechsel zu werben. Der nun erfüllt, was einst als Absichtserklärung, Versprechen oder als eine Art ungeschriebenes Gesetz benannt worden ist. Als vor rund sieben Jahren die Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart die Ausgliederung der Profiabteilung in die VfB AG beschlossen hat, war eigentlich klar gewesen: Ein Präsidiumsmitglied des VfB e. V., bestenfalls der Präsident oder die Präsidentin, vertritt den Club auf dem Chefposten im Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, schließlich ist der Club klarer Mehrheitseigner. Allerdings: Festgeschrieben wurde das nirgendwo. Zumal ein AG-Aufsichtsrat ja auch autonom agieren können muss.
Lange Zeit war das fehlende schriftliche Bekenntnis auch kein größeres Problem – weil der Vereinspräsident des VfB auch die Chefrolle im AG-Aufsichtsrat innehatte. Im Frühjahr dieses Jahres allerdings war die Unzufriedenheit mit Claus Vogt unter der Mehrzahl der übrigen Kontrolleurinnen und Kontrolleure derart groß, dass kein Vertrauen in dessen leitende Funktion mehr gegeben war. Der damalige Clubchef hatte im Zuge des Einstiegs von Porsche als Investor der VfB AG zugesagt, den Aufsichtsratsvorsitz an ein anderes Mitglied abzugeben, umsetzen wollte er dies dann Monate später aber nicht. Letztlich wurde Vogt vom Aufsichtsrat als dessen Chef abgewählt.
Es übernahm Tanja Gönner – übergangsweise, wie sie betonte. Nun sagt sie: „Im Aufsichtsrat bestand Einigkeit darüber, dass der Vorsitz wieder in die Hände des Präsidiums übergehen soll, sobald die Voraussetzungen dafür wieder vorliegen und der Verein wieder auf Kurs ist.“ Die frühere CDU-Politikerin ist zwar einst vom Verein für den Aufsichtsratsposten der VfB AG vorgeschlagen worden, aber eben keine von der Mitgliederversammlung gewählte Vertreterin des VfB e. V.
Das war vielen Fans und Mitgliedern ein Dorn im Auge. Der nun gezogen wurde – nachdem schon eine Arbeitsgruppe nach den ganzen vereinspolitischen Wirren im Frühjahr folgende Empfehlung abgegeben hatte: Die Zusage, dass der Vereinschef auch Vorsitzender des AG-Aufsichtsrats ist, solle „dauerhaft in der Vereinssatzung fixiert werden, um damit eine Verankerung dieses Leitgedankens zu schaffen“. Eine vorgeschlagene Satzungsänderung fand auf der Mitgliederversammlung aber nicht die erforderliche Dreiviertelmehrheit.
Zwar ist auch Dietmar Allgaier nicht von den Mitgliedern gewählt, aber zumindest vom Vereinsbeirat nach der Vogt-Abwahl Ende Juli als Interimspräsident eingesetzt worden. Zugleich ist er ein Mann mit reichlich Erfahrung in einem solchen Gremium. Als Landrat des Kreises Ludwigsburg ist der 58-Jährige zugleich Vorsitzender des Verwaltungsrats der Kreissparkasse Ludwigsburg, Aufsichtsratsvorsitzender der Regionalen Kliniken Holding RKH GmbH und der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg mbH. Zudem ist er Aufsichtsratsmitglied der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart GmbH (VVS). Allerdings: Allzu lange wird auch er den Vorsitz im VfB-Aufsichtsrat nicht innehaben.
„Der Aufsichtsrat hat in den zurückliegenden Monaten wichtige Weichenstellungen für den VfB vollzogen. Besonders hervorheben und würdigen möchte ich das große persönliche Engagement von Tanja Gönner für unseren VfB in dieser Zeit“, sagt Allgaier. Er freue sich auf die weitere Zusammenarbeit, steht aber weiter zu seiner Aussage von Anfang August, das Präsidentenamt im Verein nur übergangsweise bekleiden zu wollen. Im Frühjahr 2025, wohl am 22. März, tritt er ab, auch sein Präsidiumskollege Andreas Grupp ist nur bis zu diesem Termin gewählt. Auf der Mitgliederversammlung werden dann ein neues Präsidium und ein neuer Vereinsbeirat gewählt. Geeignete Kandidatinnen und Kandidaten benennt der neue Wahlausschuss.
In der Folge muss dann der Aufsichtsrat der VfB AG entscheiden, ob der oder die Neue an der Spitze des VfB e. V. auch den Chefposten im Kontrollgremium übernimmt. Welche Vorstellung die meisten Fans und Mitglieder an dieser Stelle haben werden, ist nicht erst seit dem vergangenen Sonntag klar.