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Der VfB zwischen Schock und Chance

Das 1:1 gegen die TSG Hoffenheim reichte nicht für die direkte Rettung. Wie 2019 muss der VfB Stuttgart nun in der Relegation um den Klassenverbleib kämpfen. Gegner ist der Hamburger SV – und die Stuttgarter ziehen Zuversicht aus den vergangenen Wochen.

Stuttgart - Am Pfingstmontag war noch einmal Zeit, zur Ruhe zu kommen. Zu regenerieren. Auch, den Kopf zu lüften. Und: um diesen „Schock“ zu verdauen. Einen solchen hatte VfB-Profi Borna Sosa am späten Samstagnachmittag gefühlt – nachdem die Partie des VfB Stuttgart gegen die TSG Hoffenheim abgepfiffen war. Und als festgestanden hatte, dass die Weiß-Roten aus Cannstatt nicht wie im Vorjahr im Saisonfinale den direkten Klassenverbleib gesichert hatten – sondern in die Relegation müssen.

Arm in Arm mit Ozan Kabak versuchte Borna Sosa denn also die Tränen zu unterdrücken über den enttäuschenden Spielausgang (1:1), der deshalb nicht reichte zum Nichtabstieg, weil zeitgleich der VfL Bochum gegen Bayer Leverkusen 3:0 gewonnen hatte. Der VfB rutsche auf Platz 16 – und gerade Kabak und Sosa wussten, was die Stunde geschlagen hat.

Relegation, Entscheidungsspiele, größtmöglicher Druck – das Duo kennt das von 2019. Kabak, heute bei der TSG unter Vertrag, stand als Innenverteidiger für den VfB auf dem Feld, als das 0:0 beim 1. FC Union Berlin im zweiten Relegationsspiel den Abstieg der Stuttgarter bedeutete. Sosa gehörte als einziger der aktuellen VfB-Profis bereits zum Kader. „Das tut sehr weh“, sagte der Kroate nun, da die Extrarunde nicht mehr abzuwenden war. Die ist aber auch: eine Chance.

Das versuchten bereits Minuten nach dem Abpfiff die Verantwortlichen der Stuttgarter zu vermitteln. Die wissen: Die Saison verlief in weiten Teilen katastrophal und hätte auch leicht mit dem direkten Abstieg enden können. Sogar am Samstag drohte die Gefahr, da auch der FC Schalke 04 bei RB Leipzig nach Rückstand noch einmal ins Spiel fand und der VfB selbst Chancen gegen die TSG vergab und Mitte der zweiten Hälfte plötzlich zurücklag. Tiago Tomas wendete die Niederlage ab, zum Sieg und damit zur Rettung reichte es nicht mehr – doch Sebastian Hoeneß stürmte dennoch in die Cannstatter Kurve und wedelte wild mit den Armen.

Der 41-Jährige ist der vierte Cheftrainer dieser VfB-Saison, er verantwortet nicht den schwachen Teil der Spielzeit, sondern hat in der Liga von acht Partien erst eines mit dem VfB verloren, als er Anfang April kam, war der VfB Letzter. Nun will er: das Ganze zu einem erfolgreichen Ende führen. „Uns muss klar sein, wir haben jetzt noch mal eine richtige Chance, den Klassenerhalt zu schaffen, der lange Zeit weit weg war“, sagte er und richtete einen Appell zur Solidarität an Team, Verein und die ganze Stadt. So ähnlich ging auch Fabian Wohlgemuth die neue Sachlage an.

Nicht als Bürde, sondern als Chance müsse man die „Extraschleife“ sehen, meinte der Sportdirektor des VfB – und ergänzte am Sonntagabend: „Unsere Mannschaft hat sich unter Sebastian Hoeneß deutlich stabilisiert. In der Relegation wollen wir an die Leistungen der vergangenen Wochen anknüpfen und alles daransetzen, den Klassenverbleib zu schaffen.“ Da wusste er bereits, gegen wen der VfB anzutreten hat.

In einem dramatischen Finale der zweiten Liga hatte sich der Hamburger SV bereits minutenlang als Aufsteiger gefühlt, weil es schien, als habe er mit dem Sieg in Sandhausen (1:0) den 1. FC Heidenheim noch abgefangen. Der Stadionsprecher in Sandhausen gratulierte bereits – musste sich mittlerweile aber für seine Voreiligkeit entschuldigen. Denn der HSV wurde noch aus allen Träumen gerissen.

Die Heidenheimer trafen spät in der Nachspielzeit zum 3:2 in Regensburg, weshalb die Hamburger nun zum zweiten Mal nacheinander in der Relegation antreten. Mit Trainer Tim Walter, der in Stuttgart gut bekannt ist. Aber nicht nur da. „Ich kenne Tim aus unserer gemeinsamen Zeit in Kiel“, sagte Wohlgemuth – und nicht nur deshalb erklärte er: „Wir wissen, dass am Donnerstag und am Montag jeweils ein hartes Stück Arbeit auf uns wartet.“

Jeweils um 20.45 Uhr wird am Donnerstag in Stuttgart und am Montag im Hamburger Volksparkstadion um den einen Platz in Liga eins gekämpft. Der HSV scheiterte im vergangenen Jahr an Hertha BSC, der VfB hat seine bittere Erfahrung 2019 gemacht, sieht sich nun aber gerüstet für das Duell zweier ruhmreicher Traditionsclubs, die gemeinsam schon sechs Bundesligameisterschaften gefeiert haben.

Das ist lange her – nun geht es an der Schwelle zwischen Erst- und Zweitklassigkeit um alles. Und beim VfB zieht man die Hoffnung aus den vergangenen Wochen, in denen von Trainer und Mannschaft zumindest die Voraussetzung geschaffen worden ist, dass diese Saison noch gerettet werden kann. Es gab existenziell wichtige Siege beim VfL Bochum (3:2), gegen Borussia Mönchengladbach (2:1) und beim 1. FSV Mainz 05 (4:1). Aber eben auch die bittere Pleite bei Hertha BSC (1:2) und das 1:1 am Samstag, als der Matchball vergeben wurde und viele Fans sich von ihrem Team einen etwas energischeren Auftritt erwartet hatten.

Auf die richtige Mixtur zwischen Risiko und Sicherheit wird es auch am Donnerstag und Montag wieder ankommen. Damit der VfB den sportlichen und vor allem wirtschaftlichen GAU noch verhindert – und Borna Sosa nicht den nächsten „Schock“ erlebt.

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