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Wie aus der EM mehr werden soll als eine „Eintagsfliege“

Der Rückenwind für den Fußball der Frauen in Deutschland soll anders als bei früheren Turnieren nicht mit dem Ende der EM abflauen. Das Ausland macht es vor.

  • Mit vielen  Fans im Rücken: So soll es für die DFB-Frauen auch nach der EM weitergehen.Foto: imago/Eibner

    Mit vielen Fans im Rücken: So soll es für die DFB-Frauen auch nach der EM weitergehen.Foto: imago/Eibner

Siegfried Dietrich hat inzwischen mehr als sein halbes Leben daran gewerkelt, dem Frauenfußball zu mehr Sichtbarkeit und Anerkennung zu verhelfen, und in den 90er Jahren hat es bei seinem Pionierverein, dem 1. FFC Frankfurt, auch wahre Quantensprünge von einem bescheidenen Ausgangsniveau gegeben. Doch auch der 65-Jährige muss sich im Rückblick eingestehen, dass es im vergangenen Jahrzehnt entweder nur noch in Tippelschritten vorwärtsging – oder sogar Rückschritte zu verzeichnen waren. Vom Hype um die Heim-WM 2011 ist beispielsweise kein nachhaltiger Effekt geblieben; manche Vision zerplatzte wie ein zu kräftig aufgeblasener Luftballon.

Im Vereinsalltag wenigstens ab und mehr als bislang 1000 Besucher im Schnitt

Doch diesmal ist Dietrich als Vorsitzender des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen und Sportdirektor der Eintracht Frankfurt Frauen überzeugt davon, dass es mit dieser EM einen „Ruck nach vorne“ gibt. Wirklich. Dass der Rückenwind diesmal nicht mit dem Abpfiff des Endspiels am 31. Juli abflaut. „Wir wollen nach der erfolgreichen EM mit allen Verantwortlichen der Liga und dem DFB ein neues Wahrnehmungszeitalter der Frauen-Bundesliga einläuten“, betont Antreiber Dietrich. Für den bis zur Erschöpfung trommelnden „Mister Frauenfußball“ steht fest: „Umso besser unsere DFB-Frauen abschneiden, desto größer ist das Vermarktungspotenzial.“

Es wäre genau das, was sich die meisten Nationalspielerinnen wünschen. Dass sie nicht nur EM-Partien in England vor 15 000, 20 000 Zuschauern bestreiten, sondern wenigstens ab und zu im Vereinsalltag mehr als die bislang 1000 Besucher im Schnitt kommen. Für Svenja Huth vom VfL Wolfsburg wäre es „ein toller Erfolg, wenn wir es schaffen, die Menschen hier zu begeistern, zu gewinnen, aber auch nachhaltig zu binden“. Für die Führungsspielerin wäre es schön, „wenn wir diese Möglichkeiten, diese Stimmung und vollen Stadien kontinuierlich auch in Deutschland schaffen könnten“. Das DFB-Strategiepapier „FF27 – Frauen im Fußball“ nennt es eine der größten Herausforderungen, „die Stagnation der Zuschauerzahlen in der Bundesliga und das rückläufige Interesse bei Länderspielen“ zu bekämpfen.

Es geht nicht ohne die Tat- und Strahlkraft der großen Männermarken

Der erste Meilenstein soll am 23. September mit dem Eröffnungsspiel der Frauen-Bundesliga zwischen Eintracht Frankfurt und Bayern München gesetzt werden. In der großen Arena im Stadtwald. An einem Freitagabend. In derselben Konstellation, mit der am 5. August die Männer-Bundesliga eröffnet wird. In Frankfurt hoffen die Verantwortlichen auf 20 000, 30 000 Fans. Gerade weil die Eintracht so en vogue ist. Die Frauen sollen vom Hype profitieren, der rund um den Europa-League-Triumph der Männer herrscht. Deshalb kamen zum letzten Saisonspiel gegen Werder Bremen plötzlich 4500 Zuschauer ins Stadion am Brentanobad in Frankfurt-Rödelheim. Dietrich schwärmt von einem „Highlightspiel im Herzen von Europa“, bei dem mindestens der Besucherrekord fällt. Bestmarke sind jene 12 464 Augenzeugen, die am 8. Juni 2014 im Stadion am Elsterweg erlebten, wie sich der VfL Wolfsburg durch ein Kopfballtor der heutigen DFB-Kapitänin Alexandra Popp gegen den 1. FFC Frankfurt in vorletzter Minute zum Meister krönte.

Auch DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich ist jetzt zuversichtlich, „dass unsere Erfolge bei der EM keine Eintagsfliege bleiben“. Bei besseren Bedingungen, Infrastruktur und Vermarktung für die Frauen-Bundesliga seien alle gefragt. Und es geht nicht ohne die Tat- und Strahlkraft der großen Männermarken, so ehrlich müssen alle sein. Durchschnittlich erwirtschaftet ein Frauen-Bundesligist nur 1,3 Millionen Euro, hat aber Ausgaben von 2,5 Millionen Euro. Daher müssen in Deutschland mehr als nur zwei, drei Vereine das Rad mit Schwung drehen.

Menschen bewegen, sich mal eine Begegnung der Bundesliga anzusehen

Das Ausland macht es schließlich vor, dass sich das Investment auch fürs eigene Nationalteam lohnt. Hätte der FC Barcelona sich nicht zu seiner Frauen-Abteilung bekannt, wäre Spanien nicht so gut. Ohne das Engagement vom FC Chelsea, Arsenal oder Manchester City wäre England nicht so stark. Ohne Olympique Lyon und Paris Saint-Germain wäre Frankreich nicht so versiert. Deshalb war die vom DFB veranstaltete erste Leadership-Reise für die Frauen-Bundesliga wichtig, als Akademieleiter Tobias Haupt zuletzt 17 Vereinsvertreter vier Tage durch England führte. Mit Markus Krösche (Eintracht Frankfurt), Christian Keller (1. FC Köln) und Ronald Maul (SV Meppen) holten sich auch Manager aus dem Männerbereich Input ab.

Dietrich sagt, die EM und die internationale Entwicklung gäben für Deutschland Anlass dazu, „manche Negativschlagzeilen der Vergangenheit als gesammelte Erfahrung abzuhaken“. Bis auf Almuth Schult (Angel City FC), Ann-Katrin Berger (FC Chelsea) und Sara Däbritz (Olympique Lyon) stehen alle Nationalspielerinnen in Deutschland unter Vertrag. Wenn sie jetzt zum Halbfinale gegen Frankreich erstmals deutlich mehr als zehn Millionen Zuschauer vor die TV-Geräte ziehen, kann sich vieles von selbst ergeben. Das gestiegene Niveau der Partien und die sympathische Ausstrahlung der Protagonisten sind unbestritten.

Danach geht es für Förderer wie Dietrich um den letzten Schritt: Menschen zu bewegen, sich mal eine Begegnung der Bundesliga anzusehen. Am Fernseher oder vor Ort. Er ist überzeugt, dass sich somit neue Publikumsschichten gewinnen lassen, denn: „Man kann den Qualitätsstandard einer neuen Frauenfußball-Generation bewundern.“

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