Handball

Talentschmiede vor Scherbenhaufen

Nach Massen-Exodus von Spielerinnen zieht SG BBM ihre beiden Mannschaften in der 3. Liga und in der A-Jugend-Bundesliga, den Unterbau für das Erstliga-Team, zurück. Die Verantwortlichen schieben den schwarzen Peter den Handballerinnen zu.

  • Gianina Bianco aus Vaihingen (rechts) hat sich schon einen neuen Verein gesucht. Torhüterin Amelie Kurek (links) steht das jetzt noch bevor. Foto: Baumann

    Gianina Bianco aus Vaihingen (rechts) hat sich schon einen neuen Verein gesucht. Torhüterin Amelie Kurek (links) steht das jetzt noch bevor. Foto: Baumann

Handball. Nun also doch. Nur wenige Tage nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft durch die Erstligafrauen ist durch,gesickert dass die SG BBM Bietigheim in der nächsten Spielzeit keine weiblichen Mannschaften in der Dritten Liga und der A-Jugend-Bundesliga mehr stellen wird. Dies bestätigte Thomas Schwarz, Leiter der SG BBM Bietigheim GbR. Schuld an der Misere war ein Massen-Exodus der Bietigheimer Spielerinnen in den vergangenen Wochen. Mit Leonie Feil, Lillian Roith, Hannah Krause und der ohnehin lange mit einem Kreuzbandriss ausfallenden Elisa Reißberg stünden aus den beiden personell nahezu identischen Mannschaften in der nächsten Saison lediglich noch vier Spielerinnen zur Verfügung.

Es habe „keinen Sinn gemacht“, ohne die Topspielerinnen für die oberen Klassen zu melden, sagt Schwarz. Das Geld sei dabei nicht das Problem gewesen, denn dieses hatte Mäzen Eberhard Bezner dem Verein Mitte Februar zugesagt (wir berichteten). Zu spät, wie jetzt klar wird, denn zu dem Zeitpunkt hatten sich viele Spielerinnen offenbar schon mental von der Spielgemeinschaft verabschiedet und sich im Probetraining für andere Clubs empfohlen.

Den Schwarzen Peter für den heimlich, still und leise durchgeführten Rückzug der beiden Talentschmieden schiebt Schwarz dabei den Spielerinnen zu: „Klar ist man enttäuscht, auch von den Mädels. Wir haben alles versucht, das Geld zusammenzubekommen. Ich habe gedacht, dass bis auf zwei bis drei Spielerinnen alle bleiben werden. Aber dann haben sie uns hingehalten. Letztlich geht es immer nur ums Geld. Ich hatte den Eindruck, da hatten einige gezockt“, will der GbR-Leiter von einem eigenen Versäumnis in Sachen rechtzeitige Abdeckung des Etats für 2022/23 nur bedingt wissen. „Das Einzige, was wir uns vielleicht vorwerfen lassen können, ist, dass wir uns zu spät um den Gesprächstermin bei Herrn Bezner gekümmert haben. Aber wir waren uns auch nicht wirklich sicher, ob es sich lohnt“, sagt der GbR-Macher – auch mit Blick auf die geringen Zuschauerzahlen bei den Heimspielen der beiden Teams sowie der verschwindend geringen Aussichten sogar der Toptalente, jemals im Bundesligateam Fuß zu fassen. „Wenn die Gegner nicht gerade viele Fans mitgebracht haben, haben die Mädels vor 50 oder 60 Zuschauern gespielt. Das ist einfach schwach.“

Wegfall des Erstliga-Unterbaus ist ein zweischneidiges Schwert

Schwarz räumt zumindest ein, dass der Wegfall des Bundesliga-Unterbaus „für die Außenwirkung doof“ sei. Andererseits zeigt er sich auch erleichtert, dass der hohe Aufwand, den er in den vergangenen Monaten für die beiden besagten Mannschaften betrieben hat, endlich vorbei sei. „Ich habe so viel Zeit damit verbracht, dass andere Bereiche liegengeblieben sind“, sagt er.

Schwarz deutet jedoch auch an, dass Großsponsor Bezner seine Förderzusage daran gekoppelt haben soll, dass die drei Junioren-Nationalspielerinnen Matilda Ehlert, Magdalena Probst und die Vaihingerin Gianina Bianco dem Club erhalten bleiben. Doch erst vor wenigen Tagen hatte die VKZ den Wechsel von Bianco zum Zweitligisten Kurpfalz Bären Ketsch vermeldet. Und auch Ehlert und Probst werden den Verein definitiv verlassen. Sie werden beim möglichen Bundesliga-Aufsteiger VfL Waiblingen gehandelt.

Nach den feststehenden Abgängen der drei Auswahlspielerinnen sowie anderen Leistungsträgerinnen wie Ana Rajic (zweite spanische Liga) oder Sonja Christel (TSV Bönnigheim) hätte nur eine „schnelle Lösung“ die Bietigheimer Talentschmiedeteams kurzfristig retten können. „Wir hätten Profis holen müssen. Aber das wäre auch nicht nachhaltig gewesen“, berichtet Schwarz. Stattdessen heißt es bei der SG BBM zurück zu den Anfängen. Die nominelle Reserve wird die bisher von Sanja Vlahovic trainierten dritte Mannschaft in der Verbandsliga sein, die A-Jugend spielt die Oberliga-Qualifikation.

Die Möglichkeit auf eine Teilnahme an der Dritten Liga hat die SG BBM allerdings immer noch. Denn einen formellen Rückzug der Mannschaften sieht der Deutsche Handball Bund (DHB) nicht vor. Stattdessen haben die Klubs noch bis zum 15. Mai Zeit, ihre Teams zu melden. Auf diese Frist verweist auch DHB-Sprecher Tim Oliver Kalle immer wieder auf BZ-Anfrage. „Am 16. Mai werden wir kommunizieren, wer teilnimmt. Wir werden keine Zwischenstände abgeben“, gibt sich der DHB zugeknöpft.

Rückzug des SG-Drittligateams hat keine Auswirkungen auf Abstiegsregel

Große Auswirkungen auf andere Vereine hätte die Nichtmeldung der SG BBM dagegen nicht. So muss der TV Möglingen, der als Siebter der Bietigheimer Gruppe E den rettenden Platz nur knapp verpasste, nun in der Abstiegsrunde der Dritten Liga ran. Hätte eine rechtzeitige Kommunikation der Bietigheimer, ihre Mannschaft zurückzuziehen, den TVM also vor der Ochsentour bewahrt? „Nein“, sagt dazu Stephanie Bermanseder, Abteilungsleiterin Handball des TV Möglingen. „Es gibt die reguläre Anzahl an Absteigern – plus Bietigheim. Deshalb hegen wir keinen Groll gegen die SG, denn wir sind ja auch selbst schuld“, sagt Bermanseder, die nach entsprechenden Gerüchten bereits zwei Wochen vor dem letzten Spieltag beim Konkurrenten angefragt hatte, ob dieser tatsächlich vorhabe, sein Team zurückzuziehen. skl

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