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Ein coronamäßig historischer Tag

Update der RKH-Kliniken. Mediziner empfehlen weiterhin FFP2-Masken in Innenräumen. Mitarbeiterausfälle schränken etwas ein.

Ludwigsburg. An einem „coronamäßig historischen Tag mit über 318 000 Neuinfektionen, einer Inzidenz von 1752 und 300 verstorbenen Patienten“ mahnte Jörg Martin, Geschäftsführer der RKH-Kliniken am Donnerstag beim inzwischen zweiwöchentlichen Covid-19-Update davor, trotz großflächiger Lockerungen das Virus zu sehr auf die leichte Schulter zu nehmen. Das Tragen einer FFP2-Maske in Innenräumen wird von den Medizinern vorerst weiter empfohlen.

Den Ländern seien zunächst aber „jegliche Mittel genommen, flächendeckende Restriktionen einzusetzen.“

Das, so Martin, habe ihn angesichts der aktuellen Lage schon sehr überrascht. Gesundheitsminister Karl Lauterbach „hätte sicher in seiner Zeit, als er noch mehr Talkshows besucht hat, schwer dagegen protestiert, aber er hat das Gesetz jetzt unterschrieben und es wird jetzt so umgesetzt“, auch wenn Martin glaubt, dass es „noch einiges Kopfzerbrechen bereiten“ werde. Insbesondere durch die starken Mitarbeiterausfälle sei man an den RKH-Kliniken in den Leistungen derzeit bereits „etwas eingeschränkt“, wenngleich weiterhin nicht die Gefahr besteht, dass dringend notwendige Operationen verschoben werden müssen. Damit befinde man sich in den RKH-Kliniken allerdings in vergleichbarer Situation anderer Krankenhäusern. Zudem sei „die Sache nicht zu Ende gedacht“ worden, kritisierte Martin. Er rechnet mit einer weiteren Welle spätestens im Herbst „und je nachdem, wie sich das entwickelt, mag eine neue Variante kommen, die mehr krankmachender ist“, befürchtete er.

Aktuell hat zunächst die Omikron-Untervariante BA.2 die Dominanz übernommen. Zwei von drei Fällen sind durch sie verursacht, der Rest ist dem Urtyp BA.1 zugeordnet. Vor zwei Wochen war das Verhältnis noch genau umgekehrt, betonte Stefan Weiß, Katastrophenschutzkoordinator und Leiter des Corona-Krisenstabsmanagements in den RKH-Kliniken. Delta dagegen spielt keine Rolle mehr. Dessen Anteil lag bei unter 0,1 Prozent aller Fälle.

Die hohen Inzidenzwerte der vergangenen Wochen machen sich inzwischen auch im Klinikalltag bemerkbar: die Zahl der Patienten hat sich in den letzten zwei Wochen mehr als verdoppelt. Wurden am 10. März noch 71 Patienten mit Covid-19-Infektion behandelt, waren es an diesem Donnerstag bereits 160, Tendenz steigend. Die Folge: 145 der verfügbaren 159 Betten für Covid-19 Patienten auf den Normalstationen sind bereits belegt. Für Besucher gilt auch deshalb weiter die Testpflicht unabhängig vom Impfstatus, zumal Weiß von weiter steigenden Inzidenzen in fast allen Altersgruppen ausgeht – angesichts der bevorstehenden Osterfeiertage und gleichzeitig weitreichenden Öffnungsschritten.

Eine große Herausforderung für die Kliniken ist derzeit bereits der Personalausfall, der auch bei den RKH-Kliniken noch einmal deutlich gestiegen ist. Normalerweise, erklärte Götz Geldner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie im RKH-Klinikum Ludwigsburg und Koordinator der Versorgungscluster in Baden-Württemberg, rechnet man mit einem Personalausfall durch Urlaub von Krankheit von zwischen 15 Prozent bei Ärzten und etwa 20 Prozent bei Pflegekräften. Durch das Virus kommen noch einmal zehn bis 15 Prozent oben drauf. Vor allem Hotspots mit besonders hohen Inzidenzen seien betroffen, so Geldner. „Da sind dann viele Patienten, aber auch hohe Personalausfälle. Das ist das Problem.“ Hier könne es tatsächlich zu Versorgungsproblemen auch auf den Normalstationen kommen und Patienten müssten in andere Kliniken verlegt werden.

Intensiv dagegen habe man derzeit kein Problem mit dem Virus. Die Zahl bewegt sich seit Wochen auf einem konstanten Niveau von landesweit etwa 240 – etwa ein Drittel der Zahl aus dem November vergangenen Jahres. Auffällig: Zumindest in Ludwigsburg sind alle Intensivpatienten ungeimpft. Doch nicht nur mit dem Virus müssen sich die Mediziner derzeit herumschlagen; auch in der behördlichen Organisation läuft nicht alles rund. Probleme hat es etwa beim Melden der bislang nicht immunisierten Mitarbeiter gegeben. Das betraf bei den RKH-Kliniken etwa fünf Prozent aller Mitarbeiter. Diese mussten per Brief gemeldet werden, weil der digitale Weg über Elster nicht funktioniert hat. „Und wenn ich dann noch höre, dass wir – wenn die allgemeine Impfpflicht eingeführt werden soll – zu wenig Papier haben, um die Bürger anzuschreiben, dann komme ich doch langsam ins Nachdenken“, so Martin. Weil zugleich bereits angekündigt wurde, dass die Töpfe der Krankenkassen leer sind und mit einem größeren Defizit gerechnet werden muss, Beitragserhöhung inklusive, erneuerte Martin am Donnerstag seine Forderung, noch einmal grundsätzlich über das Gesundheitssystem insgesamt nachzudenken. „Jetzt wäre tatsächlich die Zeit dafür“, zumal man eine schwere Krise „einigermaßen gut hingekriegt“ habe. Wie Gesundheit im Jahr 2030 oder 2035 allerdings noch bezahlbar sein wird, darüber müsse man sich aber bereits jetzt Gedanken machen, so Martin.

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