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„Wir sind froh, dass es uns noch gibt“

Es ist noch kein rundes Jubiläum, trotzdem will die Familienherberge Lebensweg feiern: Vor fünf Jahren hat die Einrichtung für Familien mit schwer kranken Kindern eröffnet. Hunderte waren schon da. Die Finanzierung bleibt trotzdem eine Herausforderung.

  • Initiatorin Karin Eckstein (l.) und Andrea Kienzle freuen sich über das Jubiläum. Foto: Archiv

    Initiatorin Karin Eckstein (l.) und Andrea Kienzle freuen sich über das Jubiläum. Foto: Archiv

Schützingen. Bevor es losging, hatte Karin Eckstein nur ein symbolisches Bild von ihrem Projekt im Kopf: dass Familien mit schwerstkranken, mehrfach behinderten Kindern ein Stück Last abgenommen wird, „dass wir sie zeitweise begleiten können“. Heute ist die von ihr initiierte Familienherberge Lebensweg am Rand von Schützingen fünf Jahre alt. Und aus Sicht der Gründerin und Geschäftsführerin hat sie den Ansatz „voll erfüllt“, das zeigten die Einträge in den Gästebüchern.

Inzwischen hat die Einrichtung, für die Eckstein und ihre Mitstreiter ein siebenstelliges Startkapital bei Spendern und Sponsoren eingeworben haben, bereits 680 Aufenthalte von Familien verbuchen können. Aktuell sind 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zumeist in Teilzeit in der Herberge beschäftigt. Fluktuation gebe es schon, allerdings nicht in einem Maße, das den Betrieb gefährde. „Wir haben vom ersten Tag an ein festes Stammpersonal“, sagt die Chefin. Dass das nicht selbstverständlich sei, zeigten die oft mit einem Mitarbeitermangel begründeten Schließungen zahlreicher Pflegeeinrichtungen in den vergangenen Monaten. Auch deswegen wolle man das kleine Jubiläum am morgigen Samstag feiern: „Für uns sind fünf Jahre ein unglaublich toller Anlass, weil wir voller Dankbarkeit sind, dass es uns noch gibt.“

Ausruhen kann man sich darauf allerdings nicht, sagt die im Spendenmanagement der Einrichtung tätige Andrea Kienzle. Zum einen suche man weiteres Fachpersonal. Inzwischen sei es wieder möglich, Bewerbern mehr vom Haus und der Arbeit zu zeigen, das helfe. „Manche schätzen es, dass das hier ein ganz anderer Ort zum Arbeiten ist, als zum Beispiel ein Pflegeheim. Es geht bei uns nicht nur um die Grundversorgung. Die Pflegekräfte begleiten die Kinder den ganzen Tag und erleben ein ganz anderes Miteinander.“ Wenn Familien in die Herberge eine Auszeit nehmen, werden deren schwerkranke Kinder von Fachkräften rund um die Uhr betreut, damit Eltern und Geschwister mal Zeit für sich haben.

Drei Vollzeitstellen für Pflegekräfte (Krankenschwestern/-pfleger, Kinderkrankenschwester/-pfleger oder Heilerziehungspflegerinnen/-pfleger) sind Kienzle zufolge derzeit in der Herberge zu besetzen. Das würde mehr Familien den Aufenthalt ermöglichen. Sieben, allerhöchstens acht pflegebedürftige Kinder kann die Familienherberge aktuell aufnehmen. Neun wäre das Ziel, sagt Eckstein. „Das würde für uns auch finanziell mehr Stabilität bedeuten.“

Denn nach wie vor bedarf auch die Finanzierung der Einrichtung stetiger Bemühungen. Eine kostendeckende Versorgung der Gastfamilien ist seit Beginn an nur möglich, wenn permanent Spenden eingeworben werden. Sie decken ein Drittel der Kosten. „Das Spendenaufkommen ist glücklicherweise konstant und wir sind allen, die uns unterstützen, sehr dankbar. Das steht auch bei dem Fest am Samstag ganz oben“, sagt Kienzle. Trotzdem muss das Team immer neue Wege suchen, um den Kontakt zu Unterstützern zu pflegen und mögliche weitere zu erreichen – unter anderem über Infostände, Social Media, Hausführungen. „Kontakte, die man in dem Bereich einmal verloren hat, lassen sich nur schwer wieder aufbauen“, hat Eckstein festgestellt.

Um etwas unabhängiger vom Spendenaufkommen werden zu können, ist die Initiatorin auf der Suche nach einem weiteren Standbein in der Finanzierung der Familienherberge. Denn steigende Energie- und Lebensmittelpreise sowie Tariferhöhungen wirken sich auch dort aus. Den Anteil, den die Eltern für einen Aufenthalt bezahlen müssen, könne man aber nicht weiter erhöhen, so Eckstein. „Die Kassen sind da knapp.“ Während den Aufenthalt der Gastkinder zu einem Teil die Pflegekasse über die sogenannte Eingliederungshilfe zahlt, bekommen Mütter und Väter keine Zuschüsse für Unterkunft und Verpflegung.

Das muss sich ändern, findet Eckstein. Gerade Eltern mit pflegebedürftigen Kindern bräuchten Pausen zur Eholung. „In Therapie und Pflege geht viel Geld, in die Prävention dagegen wenig“, hat Eckstein festgestellt. Von knapp 441 Milliarden Euro Gesundheitsausgaben im Jahr 2020 sind laut dem Magazin „Zeit Wissen“ 30 Prozent in Therapie und Pflege geflossen, in die Vorsorge nur 3,3 Prozent. Diese Diskrepanz bekämen auch die Familien schwerkranker Kinder zu spüren. „Das ist ein permanentes Augenverschließen. Wer soll die Kinder denn versorgen, wenn die Eltern nicht mehr können?“ Deshalb setzt sich Eckstein dafür ein, dass der Aufenthalt in der Familienherberge als Präventivmaßnahme oder Familienorientierte Reha anerkannt wird.

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