Wirtschaft

Cum-Ex-Aufklärer muss wieder vor Gericht

Seit Jahren wird der Stuttgarter Rechtsanwalt Eckart Seith in der Schweiz als Wirtschaftsspion verfolgt. Vergangenen Dezember schien er mit Urteil des Züricher Obergerichts rehabiliert. Doch das Bundesgericht kassierte die Entscheidung.

  • Während Eckart Seith in der Schweiz angeklagt wird, erhält er in Hamm einen Preis für ZivilcourageFoto: dpa/Walter Bieri

    Während Eckart Seith in der Schweiz angeklagt wird, erhält er in Hamm einen Preis für ZivilcourageFoto: dpa/Walter Bieri

Eckart Seith, bekannt geworden als Anwalt des Ulmer Drogerieunternehmers Erwin Müller und Mit-Aufklärer des Cum-Ex-Skandals, muss sich in der Schweiz erneut einem Prozess wegen Wirtschaftsspionage stellen. Die Strafabteilung des Bundesgerichts in Lausanne gab mit Urteil vom 25. August einer Beschwerde des Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich statt (Aktenzeichen 6B_215/2022). Der Fall muss nun erneut vor dem Obergericht in Zürich verhandelt werden.

Damit geht ein Prozessmarathon weiter, der 2013 vor dem Landgericht Ulm begann und sich später unter umgekehrten Vorzeichen in der Schweiz fortsetzte. Zunächst erstritt Seith für seinen Mandanten, den Ulmer Drogerieunternehmer Erwin Müller, 56 Millionen von der Schweizer Privatbank Sarasin zurück. Das Geld war von der Bank in einen Luxemburger Fond geleitet worden, der sich an der Ausplünderung deutscher Steuerzahler durch so genannte Cum-Ex-Geschäfte beteiligte. 2012 kam es zum Totalverlust. Seith bekam durch zwei Whistleblower aus dem Inneren der Bank, Bernhard V. und Volker S. , Papiere in die Hand, die belegten, dass Müller wissentlich getäuscht worden und der illegale Charakter der Geschäfte intern bekannt gewesen war.

Schweizer Justiz dreht den Spieß um

Seith leitete erhaltene Dokumente frühzeitig auch an die Staatsanwaltschaft Köln weiter. Er gehört damit zu den wesentlichen Impulsgebern zur Verfolgung betrügerischer Banken in Deutschland.

In der Schweiz allerdings wurde Seith bald als Wirtschaftsspion verfolgt. Maßgeblich dabei war der Züricher Staatsanwalt Peter G. Unter anderem hielt er einen der Informanten trotz einer Erkrankung über Monate in Untersuchungshaft, veranlasste die verdeckte Überwachung des Stuttgarter Anwalts in Deutschland und teilte Ermittlungserkenntnisse mit der Bank Sarasin. Staatsanwalt G., sind Seith und seine eigenen Verteidiger überzeugt, habe es sich zur Aufgabe gemacht, den Finanzplatz Schweiz unter allen Umständen und auch gegen eidgenössisches Recht zu verteidigen.

Ein Paukenschlag beim Obergericht

2019 begann ein erster Prozess wegen Wirtschaftsspionage zugunsten der Bundesrepublik Deutschland vor dem Bezirksgericht Zürich. Am Ende konnte Seith den Kernvorwurf gegen ihn widerlegen, wurde allerdings wegen Vergehen gegen das Bankengesetz verurteilt. Sowohl die drei damaligen Angeklagten wie auch die Staatswaltschaft, die das Urteil für zu milde hielt, riefen die höhere Instanz an: das Obergericht Zürich.

Am 9. Dezember letzten Jahres kam es dort zum nächsten Showdown. Im Publikum saß auch ein Beobachter der deutschen Botschaft in Bern. Die Strafforderung der Staatsanwaltschaft diesmal: Dreieinhalb Jahre Gefängnis für Seith, drei Jahre und zehn Monate sowie drei Jahre für je einen der Whistleblower. Doch der Tag endete mit einem Urteil, das auch der optimistisch gestimmte Seith so nicht erwartet hatte. Nach nur einem halben Verhandlungstag entschied der vorsitzende Richter Rolf Naef, Staatsanwalt Peter G. sei bei seinem Ermittlungen zu weit gegangen. In einer Pressemitteilung stand: „Das Obergericht Zürich hat heute Morgen anlässlich der während der Verhandlung aufgeworfenen Vorfragen entschieden, das Verfahren aufgrund eines Anscheins von Befangenheit beim ersten die Untersuchung führenden Staatsanwalt zu unterbrechen.“ Der Fall wurde ans Bezirksgericht Zürich rücküberwiesen. Die von der Staatsanwaltschaft gesammelten Beweise hätten dann nicht mehr verwendet werden dürfen – der Fall schien erledigt.

Neuer Gerichtstermin wohl im nächsten Jahr

Was danach kaum mehr Beachtung fand: Die Züricher Oberstaatsanwaltschaft focht auch dieses Urteil an, diesmal beim Bundesgericht in Lausanne. Die dortige, mit fünf Bundesrichtern besetzte Strafabteilung urteilte, Staatsanwalt G. habe rechtmäßig gehandelt. Die 27-seitige Begründung ging den Prozessparteien am 8. September zu. Darin heißt es resümierend, dass „einfache Verfahrensfehler oder vorläufige Meinungsäußerungen eines Staatsanwalts zu einem laufenden Untersuchungsverfahren in der Regel keinen objektiven Anschein der Befangenheit zu begründen vermögen“.

Das Züricher Obergericht muss den Wirtschaftsspionageprozess nun erneut beginnen – und sämtliche gesammelten Beweise des Staatsanwalts G. würdigen. Dieser war übrigens noch vor dem ersten Züricher Prozess durch die Schweizer Justiz vom Fall abgezogen worden.

Lobrede auf Seith durch Norbert Walter-Borjans

Anwalt Seith ahnt nichts Gutes. Erneut droht nun eine Haftstrafe. Er sagt: „Das Urteil des Schweizer Bundesgerichts ist Ausdruck einer politisch-ideologischen Grundhaltung. Die juristische Herleitung der Entscheidungsgründe ist wirklich brüchig und gelingt nur deshalb jedenfalls scheinbar schlüssig, indem Tatsachen einfach weggerückt werden.“

Wenige Tage vor Eingang des neuen Urteils erhielt Seith noch eine andere Nachricht. Am 23. Oktober wird ihm in Hamm der Preis für Zivilcourage der Arnulf-Freymuth-Gesellschaft verliehen. Die Laudatio hält der frühere NRW-Finanzminister und SPD-Bundesvorsitzende Norbert Walter-Borjans.

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