Politik

Kritik an Lauterbachs Plänen für Pflegeheime

Die Inflation trifft auch die 800 000 Heimbewohner. Deshalb hat die Bundesregierung beschlossen, dass diese Wohngeld bekommen. Aus Sicht der Evangelischen Heimstiftung führt dieser Weg in eine Sackgasse.

  • Um die Bewohner in Pflegeeinrichtungen  bei den steigenden Kosten zu entlasten, sollen sie  Wohngeld  erhalten.Foto: epd/Matthias Rietschel

    Um die Bewohner in Pflegeeinrichtungen bei den steigenden Kosten zu entlasten, sollen sie Wohngeld erhalten.Foto: epd/Matthias Rietschel

Wie stark zuletzt der Anteil stieg, den Heimbewohner für Unterkunft und Verpflegung (inklusive Energiekosten) bezahlen müssen, ist unklar. Im Juli 2022 lag er im Bundesschnitt bei 814 Euro (Baden-Württemberg: 886 Euro). Das Bürgerspital Würzburg rechnet damit, dass sich die Strompreise bis Winterende verneunfacht haben werden, bei den Lebensmitteln könnte es ein Plus von 25 Prozent sein. Aus Sicht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach müssen die Heime trotz steigender Energie- und Heizkosten bezahlbar bleiben: „Wir lassen die Pflegebedürftigen nicht im Stich.“

Komplizierte Antragstellung

Deshalb sollen „deutlich mehr“ Bewohner Wohngeld bekommen. Zuletzt waren es etwa 85 000, die im Schnitt je 125 Euro im Monat bekamen. Die Heimstiftung begrüßt die Absicht, Heimbewohner von den „explodierenden Eigenanteilen“ zu entlasten. Nur sei Lauterbachs Lösungsvorschlag verkehrt. Der weiß, dass es kompliziert ist, einen Wohngeldantrag auszufüllen. Deshalb sollen die Heimleitungen dies für die Bewohner erledigen können. Das hält Bernhard Schneider, der Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, für „blanken Unsinn“. Wer stelle denn fest, ob jemand wohngeldberechtigt sei oder nicht? Gelte dafür die Höhe der Rente des Bewohners, dessen Vermögen oder das der Angehörigen? Übernehme die Heimleitung den Antrag, werde es aufwendig: „Uns müssten 7000 Heimbewohner beauftragen, von denen wir alle Unterlagen erfragen müssten – von ihnen selber, von den gesetzlichen Vertretern oder von Angehörigen. “ Es gehe nicht an, Privathaushalte und Pflegeheime gleichzusetzen. Dass Lauterbach genau das mit seinem Wohngeld-Modell tue, zeige, dass dieser „das Pflegesystem in Deutschland nicht ganz durchdringt“.

Ganz gleich, ob ein Bewohner oder die Geschäftsführung des Heimes das Wohngeld beantragt: Beide landen erst mal in der Warteschleife. Schon heute haben die kommunalen Wohngeldstellen viel zu tun. Da die Bundesregierung den Kreis der Empfänger von Wohngeld ab 2023 auf gut zwei Millionen Menschen mehr als verdreifacht, könnte es lange dauern, bevor die Antragsteller Bescheid bekommen. Somit ist ungewiss, wie viele Heimbewohner die Entlastung erreicht – und wann das passieren wird. Dabei steigt derzeit in vielen Heimen nicht nur die Zahlung für Unterkunft und Verpflegung. Seit September müssen die Einrichtungen ihre Mitarbeiter nach Tarif oder den Regeln eines kirchlichen Wohlfahrtsverbands bezahlen. Vielerorts steigen somit deren Gehälter – und damit der Eigenanteil, den Pflegebedürftige für die Pflege zu entrichten haben. Im Juli lag diese Zahlung nach Angaben des Verbands der Ersatzkassen im bundesweiten Durchschnitt bei 964 Euro (Baden-Württemberg: 1286 Euro). Rechnet man alle Eigenanteile zusammen (es gibt auch einen für die Investitionskosten), zeigt sich ein bundesweiter Betrag von durchschnittlich 2248 Euro. Der Südwesten liegt mit durchschnittlich 2619 Euro bundesweit an der Spitze.

Bereits 2022 Zuschüsse eingeführt

Somit hat Ampelkoalition Glück, dass noch Schwarz-Rot zu Beginn des Jahres 2022 Zuschüsse eingeführt hatte. Diese können bis zu 70 Prozent betragen. Wer mehr als 36 Monate in einer Einrichtung lebt, bekommt, so der Ersatzkassen-Verband, im bundesweiten Schnitt 675 Euro als Zuschuss (Baden-Württemberg: 900 Euro). Das gilt aber nur für den Eigenanteil, der auf die Pflege entfällt – und nicht für andere Zahlungen aus eigener Tasche. Umso mehr muss Lauterbach hoffen, dass sein Wohngeld-Entlastungsmodell rasch wirkt. Sein zweiter Vorschlag löst nicht über Nacht Entlastungen aus. Er sieht vor, dass die ambulanten Pflegedienste und die Pflegeeinrichtungen Verhandlungen mit den Pflegekassen aufnehmen, um Energiekostensteigerungen in „unvorhergesehenem Ausmaß“ auszugleichen.

Wie könnte es besser gehen? Aus Sicht von Bernhard Schneider so: „Wenn Lauterbach die Heimbewohner ehrlich entlasten will, dann über einen Rettungsschirm, der die Kostensteigerungen abdeckt, so dass die Heimträger diese nicht mehr an die Bewohner weitergeben müssen.“

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