Politik

Erst Desaster, dann Doppel-Wumms

Die Ampel kriegt in der Energiepreiskrise spät die Kurve – und dürfte noch mehr tun müssen.

  • Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Bundeskanzler Olaf Scholz (Monitor) und Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, stellen Pläne der Bundesregierung zur Energieversorgung und Preisbegrenzung für Gas vor.Foto: dpa/Kay Nietfeld

    Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Bundeskanzler Olaf Scholz (Monitor) und Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, stellen Pläne der Bundesregierung zur Energieversorgung und Preisbegrenzung für Gas vor.Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Ampelregierung hat zuletzt ein peinliches Bild der Unfähigkeit geboten. Mit teils unausgegorenen Maßnahmen gegen die Energiepreiskrise wurde die Bevölkerung verunsichert – die sozial ungerechte Gasumlage, die den Brennstoff noch verteuerte, bildete den unrühmlichen Höhepunkt des koalitionsinternen Theaterstücks mit dem Titel „Jeder gegen jeden“. Sozialdemokraten, Grüne und Liberale pflegten lieber ihre parteipolitischen Eitelkeiten, als auf die Dimension der Krise zu reagieren.

Das gilt bei allem Verständnis dafür, dass sich die Ereignisse überschlagen und politische Entscheidungsträger ihre Beschlüsse in kurzen Abständen immer neuen Realitäten anpassen müssen. Es stimmt ja, dass erst seit Anfang des Monats kaum noch Gas aus Russland fließt und seit den mutmaßlichen Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines in dieser Woche auch gar nicht mehr fließen kann. Keine neue Bundesregierung wurde jemals vor solche Herausforderungen gestellt.

Viel Zeit verplempert

Nicht erst seit gestern bekannt ist, dass der normale Haushaltsrahmen für die finanzielle Bewältigung der Probleme nicht reichen wird – zu lange hat Christian Lindner das Wohl seiner FDP und nicht des Landes im Blick gehabt. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck wiederum hat allein auf Konjunkturhilfen gesetzt, weniger die Gaspreissenkung im Auge gehabt und mit der Umlage gar das Gegenteil verfolgt. Und der sozialdemokratische Kanzler Olaf Scholz hat den Streit seiner Juniorpartner laufen lassen – erst über den Sommer, dann nach dem unzureichenden dritten Entlastungspaket Anfang September. So wurde Zeit verplempert.

Nach dem vorangegangenen Desaster hat die Ampelkoalition mit ihrem vom Kanzler so bezeichneten „Doppel-Wumms“ aus Gaspreisbremse und konjunkturellem Rettungsschirm nun die Kurve gekriegt. Jetzt wird das Problem endlich bei der Wurzel gepackt – so gut das eben geht, solange Russlands Präsident Wladimir Putin nicht von seinem militärischen Krieg gegen die Ukraine und dem ökonomischen gegen deren Unterstützer ablässt. Es ist richtig, die Preise zu deckeln statt allein die Folgen der Inflation auszugleichen. Andere EU-Staaten haben sich schon früher für diese Herangehensweise entschieden – aber besser spät als nie.

Freilich steht bisher erst der finanzielle Rahmen. Wie genau das Instrument erklingen soll, wird die eben erst zusammengesetzte Gaspreiskommission in den nächsten ein bis zwei Wochen erarbeiten. Zur notwendigen Preisdeckelung fehlt auch noch ein mögliches EU-Limit beim gemeinsam organisierten Einkauf von Gas. Genauso kann der Teufel im Detail stecken, wenn an diesem Freitag in Brüssel die europäischen Energieminister den Strommarkt ganz neu aufstellen und von der Bindung an den Gaspreis lösen. Die Richtung aber stimmt jetzt wieder.

„Frontloading“ wie beim Klimafonds

Das lässt sich über die Finanzakrobatik hinter dem Beschluss nicht sagen. Formal soll die Schuldenbremse auf besonders dringlichen Wunsch des Liberalen Lindner im kommenden Jahr wieder greifen. Das gelingt aber nur, indem dieses Jahr – da die Verfassungsregel coronakrisenbedingt ohnehin schon ausgesetzt war – Kredite auch für 2023 und 2024 aufgenommen werden.

Dieses „Frontloading“, wie es im Bankersprech heißt, wurde schon beim Klimafonds betrieben, was eine Verfassungsklage der Union nach sich zog. Zusammen mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr sind so „outgesourcte“ Schulden von 360 Milliarden Euro in Schattenhaushalten aufgelaufen. Ohne Pseudo-Schuldenbremse wäre es nächstes Jahr viel einfacher zu reagieren, falls die Energiekrise eher nach 500 Milliarden Euro wie in der Pandemie verlangt.

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