Kultur

Mussolini, Frankenstein und die Faschisten

Guillermo del Toro macht aus „Pinocchio“ ein düsteres Knetgummi-Musical. Am Freitag startet bei Netflix der Film, der sehr wenig mit der Disney-Version der Holzpuppen-Story zu tun hat.

  • Ist Pinocchio eigentlich Frankensteins Monster? Guillermo del Toro mit dem Star aus seinem Knetgummi-FilmFoto: Netflix/mandraketheblack.de

    Ist Pinocchio eigentlich Frankensteins Monster? Guillermo del Toro mit dem Star aus seinem Knetgummi-FilmFoto: Netflix/mandraketheblack.de

  • Foto: Netflix

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Ein riesiges, hölzernes Kruzifix schmückt die Kirche in dem norditalienischen Dorf, in dem eine Holzpuppe namens Pinocchio zum Leben erwacht ist, die alle außer Geppetto, der ihn geschnitzt hat, fürchten, hassen oder verhöhnen. „Warum mögen sie ihn und nicht mich?“, fragt die Holzpuppe auf Jesus am Kreuz zeigend mit der herzlichen Naivität, die nur einer besitzen kann, der neu in dieser Welt ist.

Nein, das ist nicht der niedlich-übermütige Pinocchio, den man aus dem Disney-Trickfilm von 1940 kennt. Es ist aber auch nicht der aus Carlo Collodis Fortsetzungsgeschichte „Die Abenteuer des Pinocchio“, die im Jahr 1881 erschien. Guillermo del Toro („Shape of Water“, „Pans Labyrinth“) eignet sich den Stoff eigentümlich-fantastisch an, er erzählt nicht nur vom hölzernen Lausbub und dem gutmütigen Alten, sondern auch von Frankensteins Monster und Dr. Frankenstein. Diese „Pinocchio“-Variante aus Knetgummi ist zugleich Märchen, Monstertragödie und Kriegsdrama.

Geppetto als verrückter Wissenschaftler

In Guillermo del Toros Version verliert Geppetto seinen zehnjährigen Sohn Carlo bei einem Bombenangriff im Ersten Weltkriegs. Der Gram lässt ihn verzweifeln, er verwandelt sich in die Figur des verrückten Wissenschaftlers, wird zu einer Art Frankenstein, der den Tod überlisten will, seinen Sohn in einem irren Schaffensdrang aus Holz wieder zum Leben erwecken will. „Das ist ja ein Horrorhaus!“, kreischt die sprechende Grille, die Zeuge der Erschaffung Pinocchios und der Erzähler der Geschichte ist. Und tatsächlich waren selten zuvor Knetgummi-Filme furchteinflößender mit expressionistischen Schattenspielen und dramatischen Perspektivwechseln inszeniert.

Und die Story von Pinocchio, der nicht gut im Gehorchen ist und lieber zum Zirkusstar wird, als zur Schule zu gehen, bleibt gruselig. Überall lauert der Tod. Dass der hölzerne Junge mit der geborgten Seele aber nicht wirklich sterben kann, findet er das erste Mal heraus, als er von einem Auto überfahren wird. Ein anderes Mal wird er erschossen, als er vor Mussolini auftreten muss, dem das Lied, das Pinocchio singt, nicht gefällt.

In Dunkelheit getunktes Musical

Dieser „Pinocchio“ erzählt eine Geschichte für Erwachsene, ist ein in Dunkelheit getunktes Trickfilm-Musical, das sich musikalisch auch einige gewagte Kurt-Weill-Harmonien erlaubt. Die gute Fee ist ein Dämon, verendende Hunde und Marktfrauen mit blutverschmierten Schürzen huschen durchs Bild, überall lauern Faschisten mit fratzenartigen Gesichtern, und irgendwann wird der Zirkuszampano, der mit Pinocchio das Geschäft seines Lebens machen will, diesen gar wie Jesus an ein Holzkreuz nageln.

Und wem diese düstere Fantasie noch nicht genug ist, darf sich darüber freuen, dass es hier auch noch um Diversität und darum geht, dass die Welt – nicht erst in den Zeiten von Fake News – vielleicht ein besserer Ort wäre, wenn allen, die die Unwahrheit sagen, eine lange Nase wachsen würde.

Guillermo del Toros Pinocchio: Spielfilm. 117 Minuten. Regie: Guillermo del Toro und Mark Gustafson. Sprecher: Gregory Mann, Ewan McGregor, David Bradley, Christoph Waltz. Von diesem Freitag an bei Netflix. Ab 12 Jahren.

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