Es gibt dieses Foto von 1959: Ein junger Mann sitzt in Shorts am Strand von San Onofre, Kalifornien. Vor ihm steht auf einem groben Holztisch eine Reiseschreibmaschine. Ein Surfboard lehnt am Tisch, im Hintergrund steht ein VW-Bus – eine traumhafte Idylle.
Der Mann ist John Severson, der Gründer des Magazins „Surfer“. 1960 erschien die erste Ausgabe. Es sollte die Bibel der Surfkultur werden, in der diese reflektiert und in ihrer Vielfalt gezeigt wird – als Gegenentwurf zur klischeehaften Kommerzialisierung des Sports, wie sie etwa im Hollywoodfilm „Gidget – April entdeckt die Männer“ gezeigt wurde.
In der Schmonzette aus dem Jahr 1959 rebelliert eine junge Frau gegen ihre Eltern und verliebt sich in einen arbeitslosen Surfer, der in einer Hütte am Strand lebt. Durch diesen Film wurde das Surfen erstmals medial in den ganzen USA bekannt und löste einen Surf-Boom aus. Severson schrieb 2014: „Surfer hassten diese Hollywood-Surffilme, und ich konnte mir vorstellen, dass das Surfer Magazin ein authentischeres Bild des Sports schaffen könnte.“
Dazu gehörte auch, sich mit Umweltverschmutzung oder Rassismus auseinanderzusetzen. In den 1960er Jahren druckte der „Surfer“ das Foto eines Schwarzen an einem Strand in Südafrika. Hinter ihm befanden sich weiße Surfer mit ihren Brettern und ein Schild, das Schwarzen den Zutritt zum Strand verbot. Das schlug ein. „Wir wollten Ungleichheit zeigen. Wir wollten die Menschen aufrütteln“, sagte Severson. „Die ganze Idee hinter dem Surfen ist Freiheit und das zu tun, was man tun möchte.“
Der spätere Editor von „Surfer“, Sam George, schrieb 1999: „Vor John Severson gab es keine Surfmedien, keine Surfindustrie und keine Surfkultur – zumindest nicht in dem Sinne, wie wir sie heute verstehen.“ Eigentlich war Severson Surf-Filmemacher. Nach seinem Master in Kunsterziehung ging er zur Armee. Er wurde nach Hawaii versetzt und dort dem Armee-Surf-Team zugewiesen. Kein Witz.
Während seiner Dienstzeit drehte er seinen ersten Film „Surf“. Die erste „Surfer“-Ausgabe, eher ein Booklet mit 36 Seiten aus Fotos, Cartoons und Artikeln, war mehr gedacht, seinen neuen Film „Surf Fever“ zu bewerben, als die Ära der Surf-Magazine zu starten. Doch die Leute standen Schlange vor den Surfshops und prügelten sich, um ein Heft zu erhalten. Bald waren alle 10 000 Exemplare verkauft. Severson brachte das Heft erst vierteljährlich und dann alle zwei Monate heraus. Er stellte eine Redaktion ein.
Severson hatte früh den Plan, das Magazin nach zehn Jahren zu verkaufen, um mit seiner Familie zu reisen, zu surfen und zu malen – er war auch leidenschaftlicher Maler. „Ich wollte ein einfacheres Leben führen – nicht als hungernder Künstler, sondern als halb verhungernder Künstler“, sagte Severson einmal. 1970 verkaufte er das Magazin. Ab 1978 erschien „Surfer“ monatlich und hatte laut eines Artikels in der „Los Angeles Times“ von 1985 eine Auflage von 89 000 Exemplaren. 1998 sollen es – ungeprüft – 112 000 gewesen sein. Als die Welt immer digitaler wurde, zog „Surfer“ nicht mit. 2,2 Millionen Follower auf Instagram sprechen zwar für sich, es wurde aber versäumt, das Geschäftsmodell zeitig auf das Digitale zu übertragen. Das Magazin wechselte wiederholt den Besitzer, bis es 2019 von American Media Inc. übernommen wurde. Ein Jahr später begann die Corona-Pandemie und der Verlag stellte „Surfer“ ein. Digital passierte auch nicht mehr viel.
Im Jahr 2022 gingen die Rechte an die Arena Group, die nun unter Jake Howard als Chefredakteur eine neue Printausgabe auf den Markt gebracht hat. „Surfer hatte seit 2020 keine Ausgabe mehr gedruckt, und als wir anfingen, darüber zu sprechen, dem Titel wieder Leben einzuhauchen, war es wirklich wichtig, ein gedrucktes Magazin zu haben, das wir mit den Menschen teilen können. Nach vier Jahren ist es großartig, Surfer wieder am Zeitungskiosk zu sehen“, sagt Howard. Bislang ist es eine einmalige Ausgabe.
In der Ausgabe wird gefragt: „Was ist Surfen heute?“ Heraus sticht ein Beitrag von Carissa Moore. Die fünffache Weltmeisterin und erste Frau, die 2021 eine olympische Goldmedaille im Surfen gewann, schreibt über die Entwicklung des Frauen-Surfens. „Allein in den letzten Jahren scheint es, als würden Frauen jeden zweiten Tag Dinge tun, die den Sport voranbringen.“ Man könne die Begeisterung fühlen, auch wie die Ja-ich-kann-Attitüde wächst – nicht nur in der Surfwelt, sondern unter allen Frauen im Sport.
In weiteren Beiträgen reflektiert der elffache Surfweltmeister Kelly Slater über ein halbes Jahrhundert im Wasser. Die neue 18-jährige Weltmeisterin Caitlin Simmers erklärt im Interview, warum die berühmteste und vielleicht gefährlichste Welle der Welt, Pipeline, den Frauen gehört. Nic von Rupp, Kai Lenny, Laura Enever und weitere Stars der Szene geben Einblicke in den aktuellen Stand des Big-Wave-Surfens. Ein Artikel porträtiert Kapitän Martin Daly, der schon in den 1980ern unbekannte Weltklasse-Surfspots ausfindig gemacht und wie er im Lockdown die Leinen losgemacht hat. Zum Schluss heißt es: Wildhaarige Bootskapitäne wie Daly zeigen und lehren uns, dass „trotz dieser modernen, homogenisierten Zeiten da draußen immer noch eine wilde Welt existiert“.
Die letzte Seite des „Surfer“ zeigt ein Foto des 14-jährigen Hawaiianers Kahanu Rangel, wie er von der Lippe einer gewaltigen Welle abschmiert. Dazu steht: „Dieses schöne Lebensfenster, wenn die Schultage lang sind, aber die Surfsessions länger; wenn man keine Ahnung hat, wie man ‚Hypothek‘ buchstabiert (geschweige denn, was eine ist) … Wenn die Welt Dich hart und schnell trifft, aber Du sofort zurückschlägst … Wenn es akzeptabel ist, Fehler zu machen, Risiken einzugehen, neue Dinge auszuprobieren, zu lernen und zu wachsen.“
Es gibt Pläne für zukünftige Ausgaben des „Surfer“-Magazins. „Wir arbeiten derzeit daran, wie dieser Plan für 2025 aussehen soll“, sagt Jake Howard.