Kultur

Kunst, die glücklich macht

Wer keine Akademie besucht hat, hat wenig Chancen, als Künstler Erfolg zu haben. Das Museum Frieder Burda erzählt jetzt von den Karrieren einer Putzfrau und eines Ringers.

  • Ausschnitt aus Camille Bombois’ „Derrière le rideau“ (1928)Foto: Sammlung Zander/VG Bild-Kunst, Bonn 2022

    Ausschnitt aus Camille Bombois’ „Derrière le rideau“ (1928)Foto: Sammlung Zander/VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Er war ein Kerl wie ein Schrank. Seine Muskeln ließen die Menschen erzittern, auch das breite Gesicht versprach nichts Gutes. Camille Bambois konnte zupacken. Er verdiente sich sein Geld als Ringkämpfer auf dem Jahrmarkt und schleppte wie ein Packesel Waren. Ein grober Kerl, sollte man meinen. Manchmal aber trügt der Eindruck, denn Camille Bambois war ein feinsinniger Geist – und ein begnadeter Maler. Ob er Badende oder Artistinnen aus dem Zirkus malte, nur selten sprechen Gemälde ihr Publikum so unmittelbar an. Die Farben satt und klar, die Formen sicher und entschieden – und doch lauert ein Geheimnis in diesen ungewöhnlichen Kompositionen und Szenen.

Beglückende Karrieren der Vernachlässigten

Es sind tolle Geschichten, die derzeit im Museum Frieder Burda in Baden-Baden erzählt werden. Es geht um vier Künstler und eine Künstlerin, deren Werke lange abfällig als Naive Kunst bezeichnet wurden. Denn sie konnten keine akademische Ausbildung vorweisen, die letztlich bis heute für eine Künstlerkarriere unerlässlich ist. Camille Bambois, der 1883 geboren und auf einem Schlepperkahn groß wurde, hatte keine Chance, an einer Akademie Debatten zu führen, welche Kunstrichtung gerade als die richtige gilt. Er schaffte es dennoch, eines Tages von seinen Bildern leben zu können. 1955 nahm er sogar an der Documenta in Kassel teil.

Ein Stillleben nahm Uhde den Atem

Es war Wilhelm Uhde, der diesen Talenten auf die Bahn half. Uhde war Kunsthändler und eine der wichtigen Figuren im Kunstbetrieb um die Jahrhundertwende. Er betrieb eine Galerie in Paris und war auf Du und Du mit Pablo Picasso und Georges Braques, die er als einer der Ersten ausstellte. Uhde war aufgeschlossen für alle Innovationen, trotzdem beschlich ihn zunehmend Unbehagen bei den theorieversessenen Winkelzügen mancher Maler. Als er da über die Blumenbilder der Putzfrau Séraphine Louis stolperte, ging Uhde förmlich das Herz auf: „Eines Tages fand ich bei Bürgern auf einem Stuhl ein Stillleben, das mir seltsam den Atem nahm“, erzählte Uhde später. Es stammte von Séraphine Louis, die Möbel, Töpfe und Kannen mit Früchten und Pflanzen bemalte.

Unmittelbarkeit der Autodidakten

Im Museum Frieder Burda hat Séraphine Louis nun einen großen Auftritt mit ihren ganz eigenen Naturbildern. Wenn sie Blumensträuße malte, so wurden aus den Blüten und Blättern Ornamente, die sich wie Stoffmuster auf der Fläche ausbreiten. Man kann gar nicht so genau benennen, welche Pflanzen ihr als Vorlage gedient haben mögen, die Ähren, Früchte und Dolden tanzen so über die Leinwand, dass einem wohlig schwindelt. Übrigens war es auch Uhde, der die verarmte Frau mit Farbe und Leinwänden versorgte. Er war berührt von der Unmittelbarkeit der Werke der Autodidakten, die er als „Malerei des heiligen Herzens“ bezeichnete, und wollte ihnen im akademisch geprägten Kunstbetrieb einen Platz verschaffen. So organisierte er 1928 in Paris eine Ausstellung mit ihren Werken.

Es sind schöne Erfolgsgeschichten, die die Ausstellung bei Burda erzählt. Einer der Künstler ist bis heute beim breiten Publikum bekannt: Henri Rousseau. Seine fantasievollen Dschungelbilder mit exotischen Bewohnern sind noch immer beliebte Plakatmotive. Rousseau wurde bereits 1844 geboren und war damit eine Generation älter als die anderen vier Künstler der Ausstellung. Die eher überschaubare Auswahl seiner Bildern überrascht nicht nur durch die kleinen Formate, sondern auch durch die eher traditionellen Motive. Hier ein Flüsschen in der Landschaft, dort ein handwerklich höchst versiertes Porträt einer älteren Frau, das altmeisterlich wirkt.

Einsamkeit der Kreatur

Zugegeben, den Bildern von Louis Vivin sieht man an, dass er handwerklich mitunter an Grenzen stieß. Seine Allegorie mit Blüten und Engeln erinnert an Bildchen fürs Poesiealbum, und die wilden Tiere im Dschungel wirken rührend ungelenk. Eigen sind dagegen die Gemälde von André Bauchant, einem Gärtner und Soldaten, der erst spät sein zeichnerisches Talent entdeckte. Er liebte Szenen aus der griechischen Mythologie, spannender sind aber seine Bilder, in denen er nicht versucht, Geschichten zu illustrieren, sondern in denen er Menschen lapidar in die Welt stellt – und eindringlich die Einsamkeit der Kreatur spüren lässt.

Ein Maler, der mal Straßenarbeiter war

Die Ausstellung, von Udo Kittelmann kuratiert, gibt schöne Einblicke in einen Bereich der Kunst, der bis heute als „Outsider Art“ gehandelt wird und eher am Rand steht. Wie falsch das ist, zeigen vor allem die starken Bilder von Camille Bambois, der, wie Wilhelm Uhde einmal sagte, kein Straßenarbeiter sei, der malt, sondern ein Maler, der einmal Straßenarbeiter war.

Werke einer bedeutenden Mäzenin

Sammlung
Die Werke der Ausstellung stammen aus der Sammlung Zander. Die 2014 verstorbene Charlotte Zander war eine der führenden deutschen Sammlerinnen Naiver Kunst, die sie in einem Museum in Bönnigheim ausstellte, das 2020 geschlossen wurde.

Besuch
Ausstellung bis 20. November, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. adr

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