Kultur

Große Aufregung um kleinen Online-Post

Eine Journalistin wirbt für den Boykott israelischer Waren. Aktionen wie diese sind nicht neu, treffen aber auf eine aufgeheizte Stimmung im Land.

  • Die Journalistin Helen  Fares arbeitet gelegentlich für den SWR.Foto: imago/Future Image/Frederic Kern

    Die Journalistin Helen Fares arbeitet gelegentlich für den SWR.Foto: imago/Future Image/Frederic Kern

Es gibt Länder, in denen stammen die Boykottaufrufe gegen Israel, gegen dessen Politik oder gegen die Produkte aus diesem Land von den höchsten staatlichen Stellen. Die Türkei ist so ein Land. Dort sollen Coca-Cola-Getränke und Nestlé-Kaffee nicht mehr auf dem Gelände des türkischen Parlaments verkauft werden, weil die Konzerne Israel unterstützen.

Auf der ganzen Welt gibt es Apps, die versprechen Auskunft darüber zu geben, ob ein Produkt von Firmen stammt, welche aus Israel kommen oder Israel unterstützen. Eine davon heißt „no thanx“, es gibt sie seit dem Ende des vergangenen Jahres. Für die Anwendung gibt es viel Zuspruch und ebenso viel Kritik, je nachdem, wie man zu dem Terror-Angriff der Hamas am 7. Oktober und der israelischen Reaktion darauf steht. Nun hat die Diskussion darüber auch Baden-Württemberg erreicht. Verantwortlich dafür ist Helen Fares.

Die junge Frau ist laut Eigendarstellung „Syrerin in Almanya, Lieblingsessen: Kartoffelbrei“. Sie ist Journalistin, Moderatorin, Aktivistin und Podcasterin. Und sie arbeitet gelegentlich auch für den SWR, den zweitgrößten Sender der ARD. Am Wochenende hat Helen Fares ein Video auf ihrem privaten Instagram-Kanal gepostet, auf dem sie zu sehen ist, wie sie durch einen Supermarkt spaziert. Dort stellt sie mit Hilfe der App fest, dass sie sich künftig von ihrer bisherigen Lieblings-Schokomilch trennen muss. Nun ist Helen Fares zwar mit rund 100 000 Followern auf Instagram ausgestattet, in der Gemeinde süddeutscher Radio- und Fernsehgucker dürfte sie den meisten jedoch unbekannt sein. Gleichwohl haben einige Medien die Frau zur „SWR-Moderatorin“ hochgejazzt, der Skandal ist perfekt.

Viele Follower in den sozialen Medien

Eine Äußerung, die an die Nazi-Parole „Kauft nicht bei Juden“ erinnert dürfe nicht vom SWR toleriert werden, fordert die Landtagsfraktion der SPD. Und auf Twitter, das heute ja X heißt, und wo das Video durchaus auch seine Fangemeinde hat und fleißig geteilt wird, fragen zahlreiche kritische Nutzer, ob Antisemitismus denn ins Weltbild des SWR passe. Der Sender selbst kündigte für den Montag eine Erklärung an, die bedurfte aber offenbar umfangreicher Abstimmung. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe lag die Stellungnahme des Senders noch nicht vor.

Rechtlich gesehen sind Boykottaufrufe seit vielen Jahren immer wieder Streitgegenstand vor Gericht. Ob zulässig oder nicht hängt dabei stets vom Einzelfall ab – wobei der Bundesgerichtshof (BGH) davon ausgeht, dass solch ein Aufruf von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, wenn er nicht im eigenen wirtschaftlichen Interesse erfolgt, sondern in der Sorge um politische, wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Belange der Allgemeinheit. Boykottaufrufe gegen Israel haben eine lange Geschichte – und sind im Detail ganz besonders kompliziert.

Bundestag verurteilt die BDS-Kampagne

Seit knapp 20 Jahren tritt die so genannte BDS-Bewegung für den Boykott israelischer Produkte ein. Der Bundestag hatte die internationale Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ in einem Beschluss vom 17. Mai 2019 verurteilt, weil deren Argumentationsmuster und Methoden antisemitisch seien. Dagegen klagt die Gruppierung seither vor mehreren Gerichten.

Seit Anfang des Jahres hat der Palästinensisch-Israelische Krieg auch seine Boykott-Auswirkungen gegenüber Deutschland. Auf einer Webseite und den so genannten sozialen Kanälen im Netz rufen Künstler weltweit zum Boykott deutscher Kultureinrichtungen auf. Begründung: dort werde das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Solidarität mit Palästina unterdrückt. Die wohl prominenteste Unterzeichnerin ist die französische Literatur-Nobelpreisträgerin Annie Ernaux. Der 83-Jährigen wird eine Nähe zur BDS-Bewegung nachgesagt.

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