Es ist eine kühne Vorstellung, dass ein Land existieren könnte, in dem es nie Streit gibt und alle rund um die Uhr glücklich sind – oder besser: glücklich waren. Denn von heute auf morgen macht sich im „glücklichen Land“ plötzlich Unfrieden breit und befällt die Menschen tiefe Traurigkeit. Jede Hoffnung ist verloren. Wie kann man da wieder Zuversicht verbreiten? In „Der Hoffnungsvogel“, einem Kinderbuch von Kirsten Boie, wird der junge Prinz fortgeschickt, den Hoffnungsvogel zu suchen und zurückzubringen – allerdings ohne Schwert und Muskelkraft wie im traditionellen Märchen. Zur Unterstützung hat er ein mutiges Mädchen an der Seite – und zum Trost eine kleine Melodie im Gepäck.
Das Junge Ensemble Stuttgart hat Kirsten Boies eigenwillige Geschichte nun als „musikalische Erzählung“ aufbereitet, die auf die Fantasie des Publikums setzt. Auf der Bühne kommt nur ein riesiges Tuch zum Einsatz, das mal die Wellen des Meeres symbolisiert, aber auch zum Fischernetz wird, mit dem die Kinder gefangen werden und unter dem sie schließlich ganz verschwinden, als sie sich durch eine finstere Schlucht tasten müssen.
Es gehört zur Tradition des Märchens, dass Kinder sich allein auf den Weg machen und Gefahren trotzen müssen, doch in der Inszenierung von Grete Pagan wirken die Abenteuer besonders bedrohlich, weil ihr eigentliches Thema die Angst ist und die Frage, wie man in einer verzweifelten Lage bestehen kann. „Wenn etwas getan werden muss, dann muss es getan werden, so groß die Angst auch ist“, redet sich der Prinz (Maximilian Schaible) gut zu. Auch seine Begleiterin (Lola Merz Robinson) versucht, ihm und sich immer wieder Mut zuzusprechen, auch wenn ihr Boot unterzugehen droht, die Mauern zu hoch sind und die Schlucht finster und bedrohlich wirkt.
Harte Sounds, Depression und Egoisten
Es ist alles andere als Wohlfühltheater, das hier im Jungen Ensemble Stuttgart präsentiert wird. Das liegt neben der etwas lieblosen ästhetischen Bildsprache vor allem an der Musik von Hêja Netirk und Carlos Rico, die harte elektronische Sounds mit Klangfarben unterschiedlicher Kulturen mixt. Da muss man schon sehr die Ohren spitzen, um den teils gesprochenen, teils gesungenen Texten folgen zu können, zumal das internationale Ensemble auch immer wieder zwischen den Sprachen wechselt oder Carmen Yasemin Ipek ins Plattdeutsch fällt. Das macht die Inszenierung anstrengend, aber hält auch die Aufmerksamkeit hoch.
Inhaltlich dominiert in diesen achtzig Minuten die Tristesse, der die beiden Kinder auf ihrer Abenteuerreise auf vielerlei Weise begegnen. Sie treffen Menschen, die nur noch streiten, eine Prinzessin, die nicht mehr aus der Depression herausfindet, und eine Diebesband, die nur auf Geld und Macht aus ist. Wie im Märchen üblich, endet „Der Hoffnungsvogel“ zwar auch mit einem Happy-End, aber nach so viel Düsternis und harschen Klängen mag man kaum glauben, dass ein (unsichtbares) Vögelchen und eine eigenwillige Melodie dagegen ernsthaft etwas ausrichten könnten.
Der Hoffnungsvogel. Vorstellungen: 11. bis 13. Nov., 7., 9., 10., 11., 28., 29. Dez., ab 8 Jahren