Kultur

Ein Mädchen, ein Hund und ein Monster

Eine junge Komantschin und ihr treuer Vierbeiner legen sich in „Prey“ bei Disney+ mit einem Alien an. Der neueste Teil der „Predator“-Reihe ist eine ziemliche Überraschung.

  • Naru (Amber Midthunder) ist die Heldin im Überraschungserfolg „Prey“ bei Disney+.Foto: Disney+/PR

    Naru (Amber Midthunder) ist die Heldin im Überraschungserfolg „Prey“ bei Disney+.Foto: Disney+/PR

  • Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

    Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

  • Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

    Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

  • Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

    Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

  • Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

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  • Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

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    Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

  • Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

    Szenenfoto aus „Prey“Foto: Disney+/PR

„Die Komantsche-Fassung ist die beste“, twittert der gerade von einer Lesetour in seine Wahlheimat Kanada zurückgekehrte Fantasyautor Kevin Hearne, und seine weltweite Fangemeinde weiß sofort, wovon die Rede ist: vom Streaming-Neustart „Prey“ bei Disney+. Über den kann man im Netz jede Menge Schwärmereien finden. „Definitiv bester Actionfilm 2022“ ist dabei ein häufig – und gewagt früh im Jahr – vergebenes Lob. Nicht wenige fragen sich: „Warum haben die ,Prey’ denn nicht im Kino gestartet?“ Sogar die professionellen Kritiker sind sich einig. So toll sei selten ein altes Franchise wiederbelebt worden, jubeln auch jene, die nicht die Komantsche-Fassung gesehen haben.

Mindestens so gut wie ein Mann

Wir befinden uns in Prey zu Anfang des 18. Jahrhunderts in der Welt der nordamerikanischen Prärieindianer, und man könnte das Ganze auch als Emanzipations-Western erzählen: Die mit Heilkräutern so souverän wie mit dem Wurfbeil umgehende Teenagerin Naru (Amber Midthunder) will den jungen Kerlen eines Komantschen-Stammes zeigen, dass sie als Jägerin und Kriegerin mindestens so gut ist wie ein Mann.

Nur ist die Jagd auf einen Berglöwen, bei der die jungen Männer Naru eigentlich nicht dabeihaben wollen, bald nicht mehr die ultimative Risikoerfahrung. Zwei neue Gefahren brechen in die Welt der Prärieindianer ein. Zum einen ein Trupp französischer Pelzjäger, eine Abschlachterbande, der dieser von Dan Trachtenberg („10 Cloverfield Lane“) inszenierte und teils auch geschriebene Film nicht ein Fünkchen Sympathie entgegen bringt. Und zum anderen – jetzt sind wir beim Franchise – sammelt ein außerirdischer Großwildjäger auf Erdexpedition Trophäen ein: Köpfe und Häute von Schlangen, Wölfen, Pumas, Bären. Und Menschen. Ja, „Prey“ gehört in die Reihe jener Filme, die 1987 mit dem Arnold-Schwarzenegger-Klassiker „Predator“ startete.

Eine unfaire Jagd

Bei seinem ersten Auftritt legte sich ein Mitglied der außerirdischen Jägerkultur im südamerikanischen Dschungel mit einer Truppe hochgerüsteter und bestens trainierter Elitesoldaten an. „Prey“ ist so etwas wie die Unplugged-Variante eines „Predator“-Films: Pfeil und Bogen, Lanzen, Tomahawks und Messer sind eigentlich kein Match für das, was der Außerirdische auffährt: Wärmebildkamera, eine Art Lenkwaffen-Armbrust, semi-intelligente Handgranaten – und einen Tarnanzug, der ihn weitgehend unsichtbar machen würde.

Das ist der Punkt, an dem einige Zuschauer sicher aus „Prey“ aussteigen werden. Die Ausrüstung des Jägers gibt ihm ein unfaires Übergewicht, wenn er Tiere jagt, aber auch, wenn er Menschen gegenüber steht. Manche von uns werden dann nicht so recht glauben, dass dieses Töten aus dem Hinterhalt des Tarnanzugs heraus Teil eines außerirdischen Männlichkeitsrituals sein soll. Aber andere sagen: „Hey, die meiste Groß- und Kleinwildjagd durch menschliche Trophäensammler ist genau so unfair. Und auch diese Wandschmucksucher auf Ballersafari sind am Ende stolz darauf, ohne Not getötet zu haben.“

Angst bis in die letzte Faser

Tatsächlich kann man an einigem herummäkeln, die Computeranimation eines Bären und eines Pumas etwa sind nicht so perfekt, wie wir das mittlerweile von großen Kinofilmen gewöhnt sind. Und mit artgerechtem Verhalten hat die Über-Aggression dieser Beutegreifer im Film auch nicht viel zu tun. Das wird aber Wett gemacht durch den puren Charme von Amber Midthunder als Naru: trotzig und sensibel, beherzt und doch fähig, Angst bis in die letzte Faser zu spüren.

Hier tritt keine Superheldin mit Tomahawk an, bloß eine junge Frau, die über sich hinauswächst. Und dass Naru einen knuffigen, raufbereiten Hund namens Coco an ihrer Seite hat, verleiht „Prey“ im besten Sinne einen Lassie-Effekt. Dieser American Dingo, auch Carolina Dog genannt, ist übrigens kein von Welpenpfoten an eigens trainiertes Filmtier, sondern ein eigensinniger Adoptionshund, der alles erst mal lernen musste. Wow.

Mal nicht als böse Gefahr

Vielleicht werden sich in den nächsten Wochen ein paar Zornige finden, die „Prey“ kulturelle Aneignung vorwerfen werden: Hier werde die Kultur der Komantschen ausgebeutet. Wer aber weiß, wie sehr sich Aktivisten und Künstler der First Nations in den USA Teilhabe an der allgemeinen Popkultur wünschen, wer ihnen etwa beim Indianer-Inuit-Nordamerika-Filmfestival in Stuttgart begegnet, wird da kaum mitwüten. „Prey“ ist eine große Chance für die Sichtbarmachung eines in den USA fortgesetzt an den Rand gedrängten Teils der Gesellschaft – und mal nicht als böse Gefahr im klassischen Hollywood-Western.

Womit wir wieder bei der Komantsche-Fassung wären. Der Film ist auf Englisch gedreht worden, aber nachträglich hat er auch eine Komantsche-Tonspur erhalten. Die findet man bei Disney-Plus aber nicht hinter dem Knopf für die Sprachauswahl, sondern im Bereich Extras auf der Hauptseite des Films. Für diese Fassung gibt es dann auch nur englische Untertitel.

Sie klingt sehr atmosphärisch, aber beim Zuschauen merkt man dann, wie verwöhnt man von der Arbeit der erfahrenen deutschen Synchronstudios ist. Bei den indianischen Darstellern passen die Lippenbewegungen eher schlecht zu den Komantsche-Worten. Aber so funktioniert Streaming: Sollte sich die Empfehlung von Kevin Hearne und anderen durchsetzen, sollten die Abrufe dieser Filmfassung hoch sein, wird beim nächsten Mal vielleicht gleich in Komantsche gedreht.

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