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Biniam Girmays Etappensieg mit Knalleffekt

Der Radprofi Biniam Girmay holt als erster Schwarzafrikaner einen Tageserfolg bei einer großen Landesrundfahrt. Wenig später wird der Eritreer zum Pechvogel: Weil er sich auf dem Siegerpodium den Korken der Proseccoflasche ins Auge schießt, muss der 22-Jährige den Giro aufgeben.

  • Nachdem er sich auf dem Siegerpodium mit dem  Korken des Siegergetränks selbst abgeschossen hat, kneift Biniam Girmay das linke Auge zusammen.Foto: IMAGO/Independent Photo Agency/IMAGO/Roberto Bartomeoli / ipa-agency.

    Nachdem er sich auf dem Siegerpodium mit dem Korken des Siegergetränks selbst abgeschossen hat, kneift Biniam Girmay das linke Auge zusammen.Foto: IMAGO/Independent Photo Agency/IMAGO/Roberto Bartomeoli / ipa-agency.

Als der schnelle Mann aus Eritrea auch den favorisierten Niederländer Mathieu van den Poel im Zielsprint des 10. Tagesabschnitts des Giro d’Italia in Jesi abgehängt hatte, da kannte der englische TV-Kommentator kein Halten mehr. „Veni, vidi, Bini!“, brüllte der Mann in Anlehnung an den römischen Imperator Gaius Julius Cäsar in sein Mikrofon. Tatsächlich hatte der Radprofi Biniam Girmay vom Team Intermarché-Wanty Gobert in friedlicher Mission einen ganz großen Erfolg eingefahren: Als erster schwarzer Afrikaner überhaupt hat der 22-jährige Profi eine Etappe einer dreiwöchigen Landesrundfahrt gewonnen. Bini Girmay hat damit Radsport-Geschichte geschrieben – und blieb dabei bescheiden: „Es ist unglaublich, was wir als Team geleistet haben – ich finde dafür keine Worte“, sagte der Sieger.

Wie dicht zuweilen allerdings Freud und Leid beisammenliegen, auch dies musste der sprintstarke Girmay an diesem historischen Nachmittag von Jesi, einem mittelitalienischen Städtchen in der Nähe der Hafenstadt Ancona, erfahren. Denn auf dem Siegerpodium wurde der Afrikaner das Opfer eines kuriosen Vorfalls, wie er beim traditionellen Verspritzen edlen Schaumweins ganz selten vorkommt: Denn als Girmay die vor ihm auf dem Boden des stets in Rosa gehaltenen Podests stehende Magnumflasche mit edlem Prosecco öffnen wollte, da schoss ihm versehentlich der Korken mit vollem Tempo direkt in sein linkes Auge. Die Zeremonie zu Ehren seines Etappensieges brachte der tapfere Radheld letztlich noch zu Ende – doch wenig später wurde Biniam Girmay dann zu einer eingehenden Untersuchung ins örtliche Krankenhaus gefahren.

Girmay kann nicht mehr mitfahren

„Mir geht es so weit ganz gut. Aber mein Auge braucht noch etwas Schonung und muss sich erholen“, erklärte Girmay tags darauf in einer Videobotschaft an seine Fans. Zum Start der elften Etappe des 105. Giro mit dem Ziel in Reggio Emilia konnte der neue Sportstar Eritreas allerdings aufgrund der Augenverletzung nicht antreten. „Das ist natürlich unendlich schade“, sagte Girmay.

Klar ist allerdings schon jetzt, dass die Radsportwelt noch einiges von Girmay und den anderen Topfahrern aus Zentral- und Ostafrika hören wird. Und dies nicht nur, weil 2025 die Straßen-WM in der ruandischen Hauptstadt Kigali ausgetragen wird.

„Wir stehen erst am Anfang und arbeiten weiter für größere Erfolge“, sagt Biniam Girmay, der bereits vor anderthalb Monaten für eine Sensation auf der Profitour gesorgt hatte, als er den belgischen Halbklassiker Gent–Welvegem gewann. „Es kommen immer mehr afrikanische Talente auf die internationale Radsportbühne, die sich einen Namen machen wollen“, sagt Landsmann Merhawi Kudus (Team Education-Easy Post), der einer von ursprünglich drei Eritreern im Peloton des Giro d’Italia ist.

Nur wenige Afrikaner sind Radprofis

Noch sind die Schwarzafrikaner, die im Ausdauerlauf längst die Weltspitze stellen, im Radsport deutlich in der Minderheit: Von den 550 Profis in den 18 World-Tour-Teams kommen acht Fahrer aus Afrika, darunter vier weiße Südafrikaner, drei Eritreer und ein Äthiopier.

„Ich habe den Giro schon als Kind im Fernsehen gesehen und bin dann mit dem Traum losgefahren, eines Tages dabei zu sein“, sagt Biniam Girmay, der in der Hauptstadt Asmara geboren wurde, die auf 2300 Meter Höhe liegt. Dies sind ideale Trainingsbedingungen in einem der ärmsten Länder der Welt, das politisch isoliert ist. Auch, weil es unter dem diktatorischen Präsidenten Isayas Afawerki immer wieder zu Verletzungen der Menschenrechte kommt.

So versucht das Regime, sein schlechtes Image über den Sport aufzupolieren. Mit Erfolg? Bereits im Juli 2015 ließ der eritreische Fahrer Daniel Teklehaimanot aufhorchen, als er als erster Schwarzafrikaner auf der sechsten Etappe der Tour de France ins legendäre gepunktete Bergtrikot schlüpfte. Allerdings hat auch die Leidenschaft für den Radsport in Eritrea einen dunklen Hintergrund: So ist der „Ciclismo“ eine Hinterlassenschaft der italienischen Kolonialherren, die das Land bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts unterdrückt haben.

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