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Kretschmann zu Gast im Zukunftswald

Der Ministerpräsident und Forstminister Peter Hauk waren am Mittwochnachmittag im Pulverdinger Holz auf einer Versuchsfläche der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt BW zu Gast. Informationen zu trockenresistenteren Baumarten.

  • Auf der Versuchsfläche (von links): Winfried Kretschmann, Peter Hauk, Gerd Maisch, Konrad Epple, Andreas Ehring. Fotos: Rücker

    Auf der Versuchsfläche (von links): Winfried Kretschmann, Peter Hauk, Gerd Maisch, Konrad Epple, Andreas Ehring. Fotos: Rücker

  • Ministerpräsident Winfried Kretschmann (links) greift auf Geheiß von Andreas Ehring (rechts) an der Baumhasel zur Messlatte. Landtagsabgeordneter Konrad Epple hat die Sache im Blick.

    Ministerpräsident Winfried Kretschmann (links) greift auf Geheiß von Andreas Ehring (rechts) an der Baumhasel zur Messlatte. Landtagsabgeordneter Konrad Epple hat die Sache im Blick.

  • Abtauchen zwischen den Jungbäumen bei Pulverdingen.

    Abtauchen zwischen den Jungbäumen bei Pulverdingen.

  • Christian Feldmann zeigt ein Brettchen aus dem schönen Baumhasel-Holz.

    Christian Feldmann zeigt ein Brettchen aus dem schönen Baumhasel-Holz.

  • Florian Ruge an einer jungen Zeder.

    Florian Ruge an einer jungen Zeder.

Pulverdingen. „Ich glaub’, ich steh’ im Wald“, mag sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Mittwochnachmittag gedacht haben, als er sich in der Funktion eines Messgehilfen wiederfand – und zwar tatsächlich im Wald bei Pulverdingen.

1,99 Meter konnte der Landesvater von the Länd vermelden, was bei Andreas Ehring Freude hervorrief. „Wunderbar“, sagte der Mitarbeiter der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), denn die junge Baumhasel war somit seit vergangenem Jahr 87 Zentimeter gewachsen. Informationen zu sogenannten alternativen, aber auch trockenheitsresistenteren heimischen Baumarten auf der Versuchsfläche im Pulverdinger Forst standen an jenem Nachmittag auf der Agenda einer kleinen Sommertour, bei der sich der Ministerpräsident über die Auswirkungen des Klimawandels und Anpassungsstrategien unterrichten ließ. Nach dem Besuch eines Biohofs in Murr und der Stadt Ludwigsburg erreichte Kretschmann mit Forstminister Peter Hauk am frühen Nachmittag die gut zwei Hektar große Versuchsfläche. Sie war im November/Dezember 2018 mit ausgewählten Baumarten aufgeforstet worden, nachdem das Eschentriebsterben den vorherigen Baumbestand dahingerafft hatte.

„Unser Thema und unsere Motivation ist es, unsere Wälder an den Klimawandel anzupassen“, machte Christian Feldmann, Leiter des Forstbezirks Unterland, bei der Begrüßung der Gäste – darunter auch Landtagsabgeordneter Konrad Epple (CDU) und Vaihingens Oberbürgermeister Gerd Maisch – deutlich. Es wird wärmer und trockener, was bei uns besonders der Rotbuche zu schaffen mache. „Sie stirbt ab oder siecht mehrere Jahre dahin“, so Feldmann. Jeder zweite Baum sei im vergangenen Jahr durch Dürre geschädigt gewesen. Auch das führe zu Kahlflächen, auf denen mit trockenresistenteren heimischen Baumarten wie Traubeneiche, Elsbeere, Speierling und Linde wiederbewaldet werde. Allein im Geschäftsjahr 2022 seien so im Forstbezirk Unterland, bei dem in zehn Forstrevieren insgesamt 13 136 Hektar Staatswald betreut werden, 65 000 Bäume auf rund 40 Hektar Fläche gepflanzt worden. „Die Mischung macht’s“, sagt der Forstbezirksleiter.

Mit den sogenannten alternativen Baumarten sei man im Moment noch vorsichtig, und deshalb sei man dankbar für die Versuchsfläche, auf der neue Baumarten erforscht werden können. Hier wachsen neben den heimischen Referenzbäumchen Traubeneiche und Hainbuche die Alternativbaumarten Baumhasel, Atlaszeder, Libanonzeder und Douglasie. „Aber die Ökos stehen Douglasie doch kritisch gegenüber“, warf der Ministerpräsident in puncto der amerikanischen Baumart ein. Er beobachte hier ein Umdenken, weil man Alternativen finden müsse, erwiderte Waldwachstums-Experte Andreas Ehring von der FVA. Man müsse auch Lösungen anbieten, so Ehring. „Da sind Sie ganz bei mir“, erwiderte Kretschmann.

Der Landesvater wollte wissen, ob man auch den Varianzbereich der heimischen Baumarten ausnutze, bevor man aus anderen Ökosystemen Gehölze importiert – wenn beispielsweise eine Population an einen besonders trockenen Standort angepasst ist. „Das ist ein ganz wichtiger Aspekt“, pflichtete Forstbezirksleiter Feldmann zu diesen sogenannten Herkünften bei. Forstminister Peter Hauk berichtete daraufhin von der Weißtanne, die vor 150 Jahren im Taubergrund künstlich eingebracht worden sei, erstaunliche Leistungen an den Tag lege und nun auch versuchsweise im Schwarzwald wachsen soll.

„Das freie Betretungsrecht des Waldes ist uns schon heilig“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann

Zur Frage, ob für eine Anpassung an den Klimawandel die Zeit der natürlichen Wanderleistung der Baumarten genüge, machte Florian Ruge von der FVA nicht viel Hoffnung. Anhand des sogenannten RCP 8,5 Szenarios, welches aufgrund einer definierten Treibhausgaskonzentration bis zum Jahr 2100 von einer Temperaturerhöhung von bis zu 4,5 Grad Celsius ausgeht, sei mit einer Verschiebung der Klimazonen um 500 Kilometer nach Norden zu rechnen. Gleichzeitig betrage die natürliche Wanderleistung der Bäume rund zehn bis 50 Kilometer pro Jahrhundert. Einzige positive Nachricht daran sei, dass ganz Baden-Württemberg dann Weinbauklima habe.

„Die beste Zeit des Trollingers kommt noch“, verkündete Minister Hauk zu diesem Aspekt. „Aber den trinkt man doch eher aus Patriotismus“, warf der Ministerpräsident hierzu ein. Jedenfalls wird der Rotbuche und der Fichte keine Zukunft im wärmer werdenden Ländle zugeschrieben. „Mit was bauen wir dann?“, lautete hierzu Kretschmanns Frage. Gerade deshalb seien die Versuchsflächen wichtig, so Ruge. Die Entstehung der forstlichen Versuchsanstalten kam aus der Holznot durch Übernutzung heraus, weshalb die Nachhaltigkeit auch im Forst „erfunden“ wurde, berichtete Ehring. Die Arbeit der FVA basiere auf Erfahrungswissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen, welche zusammengeführt würden, erläuterte Ministerialrat Bernhard Panknin. Schwerpunkt sei die Anlage wissenschaftlicher Flächen, das Monitoring und auch der Wissenstransfer, so Panknin.

Natürlich sei bei den Baumarten auch die Qualität des Holzes von Interesse, sagte Ehring. Die aus Südosteuropa stammende Baumhasel habe wertvolles Holz, ebenso das Zedernholz, das zudem durch aromatischen Duft punkte. Auch die heimische Hainbuche besitze extrem hochwertiges und hartes Holz. Kretschmann: „Aber Hainbuche ist doch so verdreht?“ Ja schon, so Ehring, aber man habe die Jungbäume aus einem speziellen Hainbuchenbestand mit wenig Spannrückigkeit und wipfelschäftigem Wuchs – soll heißen, sie hat einen ziemlich kreisrunden Querschnitt bildet einen Stamm bis in den Wipfel hinein.

Wie es denn mit Edelkastanien wäre, wollte der Landesvater wissen. Eine hochinteressante Baumart, wachse schnell, habe wenig Splintholz aber einige Probleme, wie Rindenkrebs und einen recht hohen Wasserbedarf, berichtete Ehring.

„Ich glaube, es gibt keine Wunderbaumart“, meinte Ehring mit Blick auf das Gehölz der Zukunft. Das Problem sei die Geschwindigkeit der Klimaveränderung. Minister Hauk ließ wissen, dass er Privatwaldbesitzern „das so empfehlen würde wie hier: unterschiedliche Baumarten anbauen“. „Wenn unsere Wälder auch in Zukunft ihre wichtigen Schutz- und Nutzfunktionen erfüllen sollen, müssen die Baumarten-Zusammensetzungen sehr strapazierfähig sein“, meldete sich der grüne Landtagsabgeordnete Dr. Markus Rösler aus dem Österreich-Urlaub zum Thema zu Wort. „Förster müssen in Zeiträumen von 100 Jahren und mehr denken. Wer aber hätte 1922 auch nur ahnen können, welche Probleme wir 2022 lösen müssen“, so der Ensinger weiter.

Im Pulverdinger Holz fragte Ministerpräsident Kretschmann noch, wie viel Totholz man denn im Wald lassen solle, das sei ja „bissle so ein Streit“. Das sei dann auch viel Material für Waldbrände, fügte er selbst seiner Frage bei. Wenn wenig bewirtschaftet wird, steige die Gefahr durch Bruchholz, gab FVA-Mann Ehring zu bedenken, wodurch es im Extremfall zu großräumigen Betretungsverboten kommen könnte. „Das freie Betretungsrecht des Waldes ist uns schon heilig“, stellte Kretschmann hierzu klar.

Bei diesem Thema kam die Runde auf Autor Peter Wohlleben zu sprechen, mit dem man in Sachen Totholz wohl nicht konform geht. Aber „des nützt nix, der Wohlleben isch halt populär“, befand Kretschmann, der sich sodann für den informativen Besuch und die Arbeit der Forstleute bedankte. Kretschmann zitierte zum Abschied vor der Fahrt zum Termin in Ofterdingen noch das Motto des schottischen Städtchens St. Andrews „dum spiro spero – solange ich atme, hoffe ich“ und dass man drum kämpfen solle, dass es so schlimm nicht werde mit der Erderwärmung.

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