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Forderung: Die Pflege als Arbeit anerkennen

Fünfjähriges Bestehen der Familienherberge Lebensweg in Schützingen gefeiert. Einsatz
für eine weitere Finanzierungssäule.

  • Haymat Bazaz mit Sohn Shaho.

    Haymat Bazaz mit Sohn Shaho.

  • Andrea Holler lädt in der Kreativwerkstatt zum Mitmachen ein.

    Andrea Holler lädt in der Kreativwerkstatt zum Mitmachen ein.

  • Sonja Mede führte Besucher durch das Haus.  Fotos: Stahlfeld

    Sonja Mede führte Besucher durch das Haus. Fotos: Stahlfeld

  • Christel Kress mit Tochter Emma.

    Christel Kress mit Tochter Emma.

  • Karin Eckstein (v.l.) im Kreis ihrer Familie: Jürgen Oehrle, Walter Oehrle, Gerhard Oehrle und Margret Eder freuten sich über das fünfjährige Bestehen der Familienherberge Lebensweg.

    Karin Eckstein (v.l.) im Kreis ihrer Familie: Jürgen Oehrle, Walter Oehrle, Gerhard Oehrle und Margret Eder freuten sich über das fünfjährige Bestehen der Familienherberge Lebensweg.

Schützingen. Beim Fest zum fünfjährigen Bestehen der Familienherberge Lebensweg in Schützingen wurde am Samstag einmal mehr deutlich, wie notwendig diese Einrichtung ist, die Familien mit schwerstkranken oder mehrfach behinderten Kindern eine Auszeit ermöglicht. In einem Interview mit Initiatorin Karin Eckstein gaben zwei pflegende Mütter ganz persönliche Einblicke in ihr Leben und berichteten von den Hindernissen, die ihren Alltag immens erschweren.

Die alleinerziehende Stuttgarterin Christel Kress (58 Jahre) pflegt ihre Tochter Emma, die mit einer angeborenen Gehirnfehlbildung und einer daraus resultierenden komplexen Behinderung lebt. Verena Niethammer (40 Jahre) wohnt mit ihrer Familie in Nordheim und pflegt ihren Sohn Mattis, der unter der Geburt einen Sauerstoffmangel mit Multiorganversagen hatte. Beide Mütter gehören dem Arbeitskreis Pflegende Eltern des Vereins „wir pflegen e.V.“ an und haben sich zum Ziel gesetzt, die Herausforderungen, Wünsche und Forderungen pflegender Eltern in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.

In Schützingen berichteten sie von ihrem Alltag, der es ihnen unter anderem fast unmöglich macht, einem Beruf nachzugehen. „Hochqualifizierte Mamas sitzen daheim. Wir würden gerne arbeiten und nicht in Armut enden“, betonte Niethammer. „Wie wäre es mit einem Care-Gehalt?“ so Kress und forderte, dass Pflege als Arbeit anerkannt wird. Dies würde auch die Absicherung durch eine Rente bedeuten. Beide kritisierten sie die Regierung. Unter anderem habe es seit 2017 keine Erhöhung des Pflegegelds gegeben, eine Energiepauschale sei für Pflegende nicht vorgesehen gewesen. Kress: „Sie wollen uns nicht entlasten, sie wissen, wir gehen nicht streiken.“

„Das Problem sind nicht die Kinder, die Umstände und Bürokratie machen das Leben schwer“, betonte Kress. „Hier geht es nicht nur um die Finanzierung, hier geht es um Menschen“, unterstrich Karin Eckstein, die 2012 zum ersten Mal mit ihrer Idee einer Einrichtung für Familien mit schwerstkranken oder behinderten Kindern an die Öffentlichkeit gegangen war. Vor fünf Jahren erfüllte sich dann der Traum: Die Familienherberge Lebensweg wurde in Schützingen eröffnet. Mittlerweile war sie für über 650 Gastfamilien mit über 800 Gastkindern ein Ort der Regeneration.

Den Grundstein legten 2014 die Eltern von Karin Eckstein, indem sie ihren fünf Kindern den Hof am Ortseingang von Schützingen schenkten und damit den Grundstein für die Familienherberge legten. „Es ist sehr bewegend zu sehen, was sich daraus entwickelt hat“, sagte Margret Eder, die Schwester von Eckstein, die ebenso wie die Brüder Jürgen und Gerhard sowie Vater Walter Oehrle mitfeierten. Das Fest hatte am Vormittag ein Gottesdienst mit Prälat Ralf Albrecht und Dekan Jürgen Huber eröffnet, an dem auch Posaunenchöre aus Schützingen, Stetten und Gemmingen mitwirkten.

Die Familienherberge finanziert ihren Betrieb zum Großteil aus Spenden. Auch die Streetbunnycrew hatten 2019 mit einer Spende über 33 000 Euro dazu beigetragen. Am Samstag gratulierten Jürgen Arnold und Michael de Clara in rosa Plüsch-Kostümen zum Geburtstag. Derweil ließen sich die Besucher bei Führungen das Haus zeigen.

Die Einzigartigkeit des Projekts, das vom Land wertgeschätzt werde, hob in ihrem Grußwort die Landtagsabgeordnete Stefanie Seemann (Grüne) hervor. Tatsächlich gebe es keine Blaupause, alles müsse erarbeitet und erstritten werden. Nicht nur sie bescheinigte Karin Eckstein in diesem Punkt eine gewisse Hartnäckigkeit. Auch Illingens Bürgermeister Armin Pioch sprach von Hartnäckigkeit und Überzeugungsarbeit. Er dankte im Namen der Gemeinde für das außergewöhnliche Engagement: „Ohne Sie wäre die Familienherberge nicht das, was sie ist.“

„Es geht immer nur im Miteinander“, betonte Eckstein. Sie sei dankbar für das Erreichte, der Bedarf sei da, so die Initatorin und blickte in die Zukunft. Sie wolle sich dafür einsetzen, dass eine weitere Finanzierungssäule hinzukomme, indem die Familienherberge als Ort für einen Familien-Kind-Kur anerkannt wird.

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